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Unbewältigter Stress in der Examensvorbereitung – das unsichtbare Gitter zwischen dir und einer besseren Prüfungsleistung

von Jan 24, 2018Mindset

Heute geht es um den Namensgeber dieses Blogs: Den Stress in der Examensvorbereitung und wie er nicht nur dein Wohlbefinden, sondern auch das Prüfungsergebnis beeinflusst. Am Ende findest du eine einfache Übung, wie du dir das unsichtbare Gitter so bewusst machst, dass du früher oder später handelst, um es zu sprengen oder zumindest wie der Spatz im Titelbild durchzuschlüpfen. 
Das frühere Bild, das man von Studierenden hatte, war, dass sie ein feines Leben haben (ok, das adjektiv ist ein ähnlich klingendes..): Party jeden Tag, aufstehen frühestens um 10, fünf Monate im Jahr Urlaub. Der Begriff „Stress“ kam selten im Zusammenhang mit Studierenden hoch.

Das ist heute anders. Ende 2016 erscheint in der FAZ ein Artikel unter dem Titel „Studenten unter Stress“. Er und auch viele andere Veröffentlichungen und Studien haben das bestätigt, was ich schon lange im Hörsaal und erst Recht in meiner Zeit als Prüferin im Staatsexamen beobachtet habe – von meiner jetzigen Tätigkeit als Examensvorbereitungs-Coach gar nicht zu sprechen. Erschreckend viele Studierende sind am Limit (und einige schon darüber hinaus) – in körperlich und in mentaler Hinsicht, wobei sich diese kaum trennen lassen.

Dieser Befund ist in doppelter Hinsicht furchtbar: Zum einen ist mehr als bekannt, wie ungesund (und unangenehm) negativer Stress ist. Wenn er noch dazu führt, dass Studierende in ihrer Verzweiflung teils sogar Suizidgedanken haben oder zu vermeintlichem Gehirndoping (das eh – zumindest in Jura – nicht funktioniert!) greifen, wird der Stress gar lebensbedrohlich. Aber auch unterhalb dieses Levels ist unbewältigter Dauerstress keine Lappalie: Er nagt beständig an Körper und Seele und bald ist es soweit: Statt ein Grund zur Freude wird jeder Tag eine Last. In einem Interview im Spiegel online („Ein Studium bedeutet auch Frust und Enttäuschungen„) sagt eine Diplompsychologin:

Es gibt Studierende, die nicht mehr aus dem Bett kommen.

Das alles ist schon schlimm genug, aber Stress hat bei Studierenden noch eine weitere Folge: Die Leistungsfähigkeit in der Vorbereitung sinkt und damit wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, der – falls er nicht durchbrochen wird – damit endet, dass auch die Prüfung darunter leidet. Kannst du dich noch an die fünfteilige Serie erinnern, in der ich geschildert habe, worauf es im Examen ankommt? In der Folge zwei erzählte ich, was aus Sicht der Prüfer die vier Hauptfaktoren sind, die die Leistung und die Noten im Examen runterziehen. Nr. 3 und Nr. 4 lauteten:

Nr. 3: Der Kandidat ist (zu) nervös.

Nr. 4: Der Kandidat ist körperlich „fertig“. Findet sich oft im Tandem mit Nr. 3. Beide können zusammengefasst werden unter „Der Kandidat ist gestresst“.

Die gute Nachricht ist, dass man diesem Teufelskreis NICHT ausgeliefert ist. Ich habe es vorhin schon angedeutet: Der Teufelskreis kann durchbrochen werden. Theoretisch kann er sogar verhindert werden, allerdings muss man ihn wohl ein paar Mal erlebt und durchbrochen haben, bevor man ihn verhindern kann. Und selbst dann kann man sich nicht darauf verlassen. Ist aber egal! Nicht umsonst ist Kapitel 2 von Rolf Dobellis neuem Buch „Die Kunst des guten Lebens“ – 52 überraschende Wege zum Glück“ wie folgt betitelt:

Die hohe Fertigkeit des Korrigierens.

Aber dazu bald mehr in einem gesonderten Beitrag. Hier und jetzt soviel: Es ist nie zu spät – umgekehrt: Je komplizierter eine Situation, desto wichtiger und öfter muss die Feinjustierung erfolgen und desto unwichtiger wird der ursprüngliche Plan.

Ein Schritt ist jedoch unerlässlich: Um etwas zu verändern, muss man es zuerst erkennen.

Das ist wiederum oft schwierig, wie Oliver Hassencamp treffend zusammengefasst hat:

Bei den wenigsten Gefängnissen sieht man die Gitter.

Negativer Stress und eine schlechte mentale Verfassung ist ein solches typischerweise unsichtbares Gitter. Sichtbar kannst du es ganz einfach machen:

Szenario Nr. 1

Warte einen Zeitpunkt ab (bzw. stelle ihn dir vor), in welchem du fertig bist. Wo du dich richtig überfordert fühlst. In diesem Zustand, versuche eine unbekannte knifflige juristische Frage zu lösen.

Szenario Nr. 2

Warte einen Zeitpunkt ab (bzw. stelle ihn dir vor), wenn du dich rundum wohl fühlst. Du bist ausgeschlafen, du kommst aus einem schönen Urlaub, es ist dir gerade etwas gut gelungen. Du fühlst dich mit anderen Worten rundum zufrieden, on top of the world. Jetzt gehst du wieder an eine unbekannte knifflige juristische Frage.

In welcher Situation hast du wohl bessere Chancen, unbekannte, knifflige, Probleme zu lösen? Schon wieder ein no-brainer!

Ich fasse zusammen:

1. In guter mentaler und körperlicher Verfassung kann ich leichter unbekannte, knifflige, Probleme lösen.

2. Im Examen geht es darum, (meist bis oft) unbekannte, knifflige, Probleme zu lösen

3. Logisch zwingende Folgerung: Verbesserung der mentalen und körperlichen Verfassung hat für mich oberste Priorität. Ich plane dies genauso, wie ich meine Lernstunden plane.

Die heutige „Aufgabe des Tages“ liegt darin, dir dies immer und immer wieder bewusst zu machen, bis du bereit bist, dies nicht nur theoretisch zu akzeptieren (das tust du vermutlich bereits jetzt), sondern zu handeln und deine Tages- und Wochenplanung auch wirklich danach auszurichten.

Wie wirst du das tun? Es gibt tausend (oder mehr) Wege, einige werde ich hier ansprechen, viele kennst du bereits. Einen Schritt nach dem anderen! Um beim Spatz aus dem Titelbild zu bleiben:

Welches Loch er wählen wird, um letztlich durch den Zaun zu schlüpfen, ist nicht so wichtig. Sehr wichtig bis überlebensnotwendig ist dagegen, dass er den Zaun erkennt und nicht in vollem Flug dagegen knallt und sich bestenfalls eine Beule, schlimmstenfalls einen Genickbruch holt.

Mach also den Stresszaun sichtbar!

Das wird nicht von heute auf Morgen gehen, denn viel zu lange hast du vermutlich dein Augenmerk nur aufs Lernen gerichtet.

Mein Vorschlag wäre, die obigen Punkte 1 bis 3 auf ein buntes, großes Post-it zu übertragen und dort zu platzieren, wo du sie mehrmals am Tag siehst.

Noch effektiver wird es sein, wenn du die Punkte so umformulierst, dass sie für dich maximal „lebendig“ sind. Was kriegst du juristisch hin, wenn du ausgeruht, entspannt und ausgeglichen bist? Übertreib ruhig ein bisschen, denn vermutlich weißt du noch gar nicht, was du für juristische Superkräfte entwickeln wirst, wenn du auf Dauer entspannt und erholt bist! Wenn du magst und es deinem Temperament entspricht, mach es auch ein bisschen lustig:

Entspannt und erholt werde ich juristische Superkräfte haben, dass der Korrektor vor Freude quietscht? 

Was immer dir spontan als „Köder“ einfällt, damit du wirklich daran arbeitest, entspannt und erholt zu lernen und in die Prüfung zu gehen – rauf aufs Post-it oder besser die Post-its und ran an alle Flächen, die nicht bei drei Kleberesistenz entwickelt haben. Und vergiss nicht: Verliere dich nicht darin zu überlegen, wie du es perfekt angehst.

 

Beginne JETZT irgendwie, korrigieren kannst du jederzeit! Aber tu was – JETZT !