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Verwechsle Lernzeit nicht mit Lernergebnis!

von Jan 18, 2018Lernen & Vorbereiten

Qualität geht über Quantität. Das ist ein Satz, dem kaum jemand widersprechen wird. Zumindest habe ich es bisher noch nicht erlebt, dass jemand gesagt hätte „Hauptsache viel, alles andere ist mir egal“. Und trotzdem halten sich viele nicht an diesen vermeintlich kugelsicheren Grundsatz.

Stell dir mal folgende Situation vor: Du bist auf einer Studentenfete und lernst eine Jurastudentin in der Examensvorbereitung kennen. Sie sieht richtig frisch und vergnügt aus und erzählt, dass sie mit der Pomodoro-Taktik lernt und dabei inklusive Pausen auf knapp sieben Stunden täglich kommt. Montags bis freitags. Um 15.00 ist sie fertig, danach macht sie Sport, geht ins Kino, liest Bücher, macht Musik.

Wahrscheinlich kommt dir spontan einer der folgenden Gedanken:

Oh Mann, das Leben ist so ungerecht, offensichtlich ist die Frau von der Natur gesegnet, unsereins kann sich solchen Luxus nicht leisten.

Oder:

Na, du wirst schon sehen – Hochmut kommt kurz vor dem Fall und ohne Plackerei kein anständiges Juraexamen. Mach du nur weiter so – es lacht am besten, wer am Ende lacht.

Manchmal kommen auch beide Gedanken gleichzeitig und purzeln im Hirn rum wie im Schleudergang der Waschmaschine.

Ziemlich sicher ist: Am nächsten Tag ist dein schlechtes Gewissen präsenter als je zuvor und du versuchst, so viele Stunden wie möglich zu lernen. Und fühlst dich dabei gut. Hast du aber schon einmal darüber nachgedacht, dass viele Stunden zu lernen durchaus der Weg des geringsten Widerstands sein kann? Das ist tatsächlich der Fall, so pervers das auch klingt. Und hier ist der Grund:

Wenn du dich fragst, was du heute getan hast und die Antwort lautet, dass du zehn Stunden oder sogar mehr gelernt hast, dann bist du unweigerlich mit dir zufrieden. Schließlich spürst du, dass du was getan hast. Und man weiß ja: „ohne Fleiß kein Preis“!

Auch jeder andere, dem du das erzählt, ist ebenfalls beeindruckt. Deine Kumpels versuchen entweder, dich zu überbieten, indem sie dir erzählen, wie kaputt SIE heute sind wegen der vielen Lernstunden oder aber sie werden still, wechseln das Thema und nehmen sich insgeheim vor, morgen mehr zu lernen.

Findest du dich ansatzweise oder vollumfänglich in dieser Beschreibung wieder? Ich für meinen Teil schon! Obwohl ich die Mechanismen nicht nur kenne, sondern auch lehre, ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich mich irgendwie besser fühle, wenn ich abends nur Kaugummi im Kopf habe und der Zeit hinterherlaufe.

Sobald mir das auffällt (manchmal dauert es ein bisschen), weiß ich allerdings, dass es Zeit ist entgegenzusteuern. Das kannst du auch!

Ich gebe dir eine Aufgabe mit, die dich wenig Zeit kostet und deine Lerneffizienz revolutionieren könnte:

Ab jetzt fragst du dich abends bzw. am Ende der Woche nicht mehr, wieviele Stunden du in der Bib oder zu Hause gelernt hast. Stattdessen stellst du dir folgende Frage und du hältst das Ergebnis schriftlich fest:

Was genau kann ich jetzt, das ich gestern noch nicht konnte?

Mach das eine oder zwei Wochen lang und du wirst gratis dazu noch einen sehr willkommenen Nebeneffekt erzielen: Bald wirst du anfangen, von selbst Pläne zu machen, was du genau und konkret morgen/nächste Woche abhaken willst. In konkreten Scheibchen.

Du wirst dann nicht in deinen Lernplan eintragen

ich lerne vier Stunden Bereicherungsrecht,

sondern

ich lerne morgen die Saldotheorie und übermorgen lerne ich die Ausnahmen.

Glaub es mir: Es wird dir abends und am Ende des Tages weitaus größere Befriedigung bringen, wenn du aufschreibst und schwarz auf weiß siehst, wie die Punkte, die „sitzen“ immer mehr werden, als wenn du nur Lernstunden sammelst wie Rentenanwartschaften. Das wird dir auch helfen, wenn du mal verzagt bist und das Gefühl hast, dich im Hamsterrad zu drehen: Dann schaust du dir deine Liste abgehakter konkreter Themen an und die Examensvorbereitungswelt ist wieder ein Stückchen mehr in Ordnung.

Trotzdem sei gewappnet: Immer wieder wirst du doch wieder „auf Zeit“ lernen. Das ist nicht schlimm. Das wird dir nämlich immer öfter und immer schneller auffallen und dann passt du deinen Kurs an. Und lernst wieder auf Resultate! Warum sich das lohnt?

Weil du deine Examensnote für gelieferte Resultat kriegst und nicht für abgesessene Lernzeit!