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Tag X naht: Die erste Examensklausur ist in ein paar Wochen/Tagen

von Feb 7, 2018Lernen & Vorbereiten, Mindset

Du hast monatelang, vielleicht gar länger als ein Jahr, aufs Examen hin gelernt. Das Examen ist nicht nur kein Sprint, es ist nichtmal ein normaler Marathon, sondern ein Ultra. Noch dazu einer, der nicht auf der flachen Ebene, sondern im teils schroffen Gebirge stattfindet. Es scheint alles so weit weg, wenn du anfängst mit deiner Examensvorbereitung und auch mitten drin. Und doch kommt irgendwann der Tag, an dem du den Absprung wagst (zu diesem Aspekt werde ich auch demnächst was schreiben) und dich anmeldest. Und das bedeutet, dass auch Tag X – die erste Examensklausur – naht und dann gar da ist. Jetzt kommen neuartige Herausforderungen auf dich zu, die du zum Teil zuvor vielleicht nicht erahnt hast. Die gute Nachricht: Auch hierauf kannst du dich vorbereiten, so dass du dich am Tag X darauf konzentrieren kannst, deine juristische Bestleistung zu erbringen. Die Besonderheiten der mündlichen Prüfung klammere ich hier aus – künftig gibt es dazu aber einen gezielten Beitrag. Ebenfalls werde ich bald über den Tag X selber schreiben sowie über die Herausforderungen zwischen den einzelnen Klausurtagen und unmittelbar danach.

Irgendwann steht er vor der Tür, der Tag X…

Jetzt wird es ernst, und das macht erst einmal Angst und Stress. Andererseits fühlen viele aber auch eine gewisse Erleichterung, weil jetzt losgeht. Aus meiner eigenen Erfahrung mit großen Prüfungen im weitesten Sinne (ja, es ist tatsächlich so, dass es nie endet…) und aus meiner Beobachtung bei den Studierenden, die ich begleite, kann ich berichten, dass die schlimmste Zeit bei verbleibenden ein bis zwei Monaten vor der Prüfung ist. Jetzt kann man nicht mehr denken „das ist ewig hin“, gleichzeitig hat man noch das Gefühl, Versäumtes noch nachholen zu müssen/können. Da ist es fast schon eine Erleichterung, wenn man bereits objektiv eine Woche oder ein paar Tage vor der ersten Examensklausur nichts mehr „reißen“ kann. Da wird einem sozusagen manche Entscheidung abgenommen. So seltsam es klingt: Neben der Angst, dem Gedanken „hätte ich doch noch zwei Monate“ lugt jetzt das Gefühl „endlich geht es los“ hervor.

 

Nicht Lern-Endspurt, sondern tapering nach dem Wiederholungsfurioso!

Examen ist Höchstleistung. Die Situation ist durchaus vergleichbar mit Sport: Die Sportlerin will ihren ersten Wettkampf laufen. Sie trainiert lange, sie trainiert mit System, um am Wettkampftag ihr bestes zu geben. Das ist bei dir nicht anders: Du hast lange und optimalerweise mit System gelernt, um in den Klausuren und in der mündlichen Prüfung dein bestes zu geben. Wenn die Situation derart ähnlich ist, warum solltest du dann nicht von den Sportlern lernen? Die kluge Sportlerin wird niemals kurz vor dem Wettkampf das Trainingsvolumen erhöhen. Denn darunter wird ihre Leistungsfähigkeit im Wettkampf nicht nur nicht verbessert, sie wird sogar signifikant verschlechtert. „Tapering“ nennt man das im Sport. Das Ziel ist, fit an die Startlinie zu gehen und nicht schon von der Vorbereitung erschöpft zu sein. Nur so kann die Läuferin am Wettkampftag die persönliche Höchstleistung erbringen. Die (graduell verlaufende) Tapering-Phase beträgt meist vier Wochen.

Das Prinzip solltest auch du beachten! Spätestens in der Woche vor der ersten Examensklausur solltest du nicht mehr „voll“ lernen. Jetzt kannst du kaum noch Neues lernen und durch blinden Lernaktionismus kannst du sogar schlimmstenfalls bereits Gelerntes zerschießen, indem du – in der halb-panischen Stimmung, in der du vermutlich jetzt bist – alles durcheinander bringst

Ich selbst habe die letzten paar Wochen vor meinem zweiten Examen um die drei Stunden gelernt. Danach war ich platt wie eine Flunder und wunderte mich darüber. Es gab aber einen ganz klaren Grund dafür, wie ich heute weiß: Es waren drei Stunden gewesen, die es in sich hatten: Ich habe keine Einzelheiten mehr gelernt, ich habe Zusammenhänge wiederholt. Das hat weitaus mehr Hirnkapazität erfordert als das Lernen am Anfang. Wieder ist es wie beim Sport: Spazierengehen kann ich stundenlang. Bei unter 9 Km/h kann ich über zwei Stunden laufen. Bei unter 11 Km/h um die 45 Minuten. 12-13 Km/h funktioniert momentan nur in Intervallen. Die Tage, in denen ich zur Zeit Intervalle laufe, bin ich im Anschluss körperlich zu kaum noch anderem zu gebrauchen – und zwar bereits nach 15 Minuten.

Aus meiner persönlichen Erfahrungskiste

Genau so ist es mit den Wiederholungen, die man in den letzten Wochen vor der ersten Examensklausur macht: Wenn du Zusammenhänge wiederholst und dabei wie eine Artistin kreuz und quer durch die Rechtsgebiete jonglierst, erfordert dies weitaus mehr Konzentration und Hirnleistung, als Einzelelemente zu behandeln. Ergo musst du damit rechnen, dass du in den letzten Wochen, in denen du optimalerweise nicht mehr Einzelfragen behandelst, sondern die großen Zusammenhänge und langen Linien konsolidierst, stundenmäßig viel weniger lernen (können) wirst. Danach wirst du aber trotzdem wissen/spüren, was du getan hast.

Übrigens habe ich diese richtig vertieften Zusammenhänge-Wiederholungen am liebsten bei einsamen Spaziergängen in der Natur gemacht. Ich hatte dann immer ein Notizbuch bei mir, um aufzuschreiben, was ich noch nachschauen möchte nach meiner Rückkehr. So mache ich es auch noch heute, wenn ich gedanklich dicke Bretter zu bohren habe – nur wird das Notizbuch manchmal von der Diktier- und Notizfunktion des Smartphones ersetzt.

Aus meiner persönlichen Erfahrungskiste

Dieses finale furioso der Wiederholung beendest du spätestens drei Tage, besser noch eine Woche vor der ersten Examensklausur. Ab jetzt geht es ans Tapering: Keine anstrengenden Einheiten mehr! In den letzten Tagen kannst du entweder ganz pausieren oder dich nur locker und zur Einstimmung maximal drei Stunden mit Jura befassen. Einfach nur, um in der juristischen Stimmung zu bleiben. Da musst du dich selbst kennen/beobachten, ob dies sinnvoll ist. Jedenfalls zeigt die Erfahrung, dass jetzt nicht mehr die Zeit ist, Lücken aufzufüllen und hektisch Dinge lernen zu wollen. Meist hat dies sogar den Effekt, dass man die Dinge dadurch eher durcheinanderbringt. Dann machst du mehr kaputt, als du reparieren würdest.

Also denk daran: Das Examen ist ähnlich wie ein Wettkampf. Und vor großen Wettkämpfen wird das Training immer zurückgefahren. Dasselbe solltest du tun.

Bereite deinen Körper vor

Eine Examensklausur zu schreiben ist nicht nur geistig, sondern auch körperlich anstrengend. Daher solltest du auch hier die Ausgangsvoraussetzungen optimieren. Spätestens jetzt gilt es, Weckzeit (und Schlafenszeit) an die Klausurtage anzupassen.

Iss gesund, gehe viel an die frische Luft. Sport ist sehr gut, aber jetzt ist nicht die Zeit für sportliche Höchstleistung – die Power brauchst du für die Klausuren. Wenn du eine große Reise mit dem Auto vorhast, dann checkst du es davor sicherlich durch und bereitest es vor: Tanken, Reifendruck überprüfen und ggfs. nachfüllen, ditto zu Motoröl, Kühlwasser und Scheibenwischwasser.

Nun, das Vehikel, das dich durch die große Examensreise bringen wird, ist dein Körper und dein Geist. Behandle sie mindestens gleich so gut, wie du dein Auto behandeln würdest – idealerweise sogar besser.

Bereite dich mental vor

Je ruhiger du in den Prüfungsraum gehst, desto mehr Hirnressourcen kannst du für die Lösung mobilisieren. Es gibt diesbezüglich viele Möglichkeiten. Kurz vor der ersten Examensklausur ist es für die meisten hilfreich, den Klausurtag zu visualisieren.

Wie du morgens aufstehst, dich vorbereitest, auf den Weg machst. Wie du auf die anderen Kandidaten triffst und wie du damit umgehst, dass vermutlich jetzt Stress und Panik in der Luft flirrt. Wie du dich davon nicht anstecken lässt. Wie du in den Saal reingehst, den Sachverhalt zuerst liest, wie du vermutlich dabei gleichzeitig nervös und aufgeregt wirst, wenn du „Schlagwörter“ erkennst. Wie du dich beruhigst und konzentrierst, um anzufangen. Wie du anfängst zu schreiben. Wie du irgendwann auf die Uhr schaust und denkst „das reicht nicht“. Wie du jetzt eine Entscheidung triffst, wie genau du die verbleibende Zeit nutzen wirst. Wie irgendwann die Schreibzeit um ist.

Du hast schon oft Probeklausuren geschrieben, du weißt um und bei, wie es abläuft. Gehe es noch einmal vor deinem inneren Auge Schritt für Schritt durch, auch deine Nervosität und vor allem, wie du damit umgehen wirst. Bereite dich seelisch vor und vor allem visualisiere jetzt schon, wie du mit den Widrigkeiten fertig wirst. Wie du es schaffst. Vor allem immer und immer wieder, wie du es schaffst.

Tag X kann jetzt kommen – dafür hast du lange gesät, geackert und gegossen, jetzt ist der erste Tag der Ernte!