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Der Käufer, die Käuferin oder die Kaufenden?

von Dez 13, 2017Übergreifendes

Heute geht es nicht direkt darum, wie du selbst dich auf das Examen vorbereitest, sondern darum, wie du uns auf der „anbietenden“ Seite der Examensvorbereitung (und generell der Lehre) wahrnimmst. Deine Meinung hierzu interessiert mich brennend!

Ich habe gestern auf der Facebook-Seite „JurastudenIn“ einen Verweis auf einen Beitrag in Bento-News gesehen mit dem Titel „Was du im Jura-Studium über Frauen lernst, ist erschreckend“. Der Titel hat natürlich einen Nerv bei mir getroffen, also ging er direkt unter die Lupe.

Die Studie, über die berichtet wird, wurde durch die Universität Hamburg und die Bucerius Law School durchgeführt.

Es wurden 87 Examensübungsklausuren dieser Hochschulen analysiert. Hauptsächlich ging es um die Frage, wie Lebenssachverhalte, mit denen wir arbeiten, dargestellt werden. Hauptsächlich ging es dabei darum, inwiefern in Übungsfällen Frauen (nur) in Rollenklischees auftauchen. Die Journalistin fasste es so zusammen:

 

Der Beitrag und erst Recht die Studie haben mir Anlass zur Selbstreflexion gegeben. Ich werde mir sicherlich künftig die Fälle, die ich selber erstelle, auch unter diesem Blickwinkel anschauen. Auf Anhieb würde ich spontan sagen „nicht schuldig“, aber dass gerade in solchen Dingen die Eigenwahrnehmung nicht immer mit der Fremdwahrnehmung übereinstimmt, ist mittlerweile belegt und bekannt.

Wo ich mich aber unmittelbar angesprochen fühle, ist im folgendem: Seit einiger Zeit fühle ich mich bei der Frage überfordert, wie ich mich in der Lehre, in Veröffentlichungen und nicht zuletzt hier im Blog „vernünftig“ geschlechtergerecht ausdrücken kann, wenn ich über abstrakte Themen spreche/schreibe, die sowohl für Männer als auch für Frauen gelten.

Auch hier hat die Studie ein deutliches Manko in den Ausbildungsmaterialien konstatiert. Es hat mich nicht gewundert. Vielmehr bin ich regelrecht zusammengezuckt, als ich gelesen habe:

Auch in der rechtswissenschaftlichen Fachliteratur wird überwiegend das generische Maskulinum verwendet“ (S. 14 der Studie rechts unten)

Tatsächlich ist dieses Problem bei mir siedendheiß an die Oberfläche gekommen, als ich letztens die Einstiegssequenz „Worum es im Examen geht“ geschrieben habe. Ich gestehe, ich habe den Weg des geringsten Widerstands genommen und – wenn auch mit deutlichem Unbehagen – die generische männliche Form verwendet.

Jetzt war also meine Hoffnung groß, in der Hamburger Studie eine Hilfestellung zu finden, wie ich es besser machen kann. Die Studie selbst hält sich in der praktischen Umsetzung des – sicherlich konsensfähigen – Grundsatzes, man solle auf geschlechtergerechte Formulierung achten, bedeckt. Immerhin habe ich – wenn auch jeweils versteckt in Fußnoten – zwei konkrete Verweise gefunden, die ich sofort hoffnungsvoll aufgerufen habe.

 

In Fn. 38 verweist die Studie auf die Autorenhinweise der Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft. Dort findet sich ein Beispielsatz:

„Beide Fokusse werden unterstützt von den jeweiligen moderierenden Aktivitäten des/der Lehrenden, der/die den Prozess der Gruppe im Hinblick auf Kriterien der guten Falllösung oder aber im Hinblick auf die Identifikation von Wissenslücken steuert“.

In Fn. 75 der Studie werden die Hinweise der Gleichstellungsbeauftragten der Universität zu Köln angepriesen. Hier steht auf S. 6 dem Grundsatz nach korrekt:

„Beidnennung ist eindeutig und somit die geeignetste Form, beide Geschlechter gleichermaßen sichtbar zu machen. Sie bedient sich der Konjunktionen und, oder sowie beziehungsweise (bzw.)“.

Was soll ich sagen, auf mich hat der Beispielsatz in Vorschlag 1 eher abschreckend gewirkt

Auch Vorschlag 2 hat mir Fragen offen gelassen: Wenn ich jedes Mal „der Student bzw. die Studentin“ sage oder schreibe, dann wird das weder den Lese- noch den Hörfluss erleichtern. Kommt mir irgendwie auch nicht wie die beste Lösung vor. Die Schreibweise, die an die männliche Form ein „In“ anfügt (StudentIn) stößt sowieso dort an ihre Grenzen, wo entweder männliche und weibliche Form nicht nur durch die Endung unterschieden werden (Arzt – Ärztin) oder – wie meist – der Satz einen (bestimmten oder unbestimmten) Artikel im Singular beinhaltet. Soll ich schreiben „Der/die StudenIn“? Soll ich mich so oft wie möglich in einen neutralisierten Plural flüchten, der aber dann das sprachliche Bild weniger „griffig“ macht und auch verschleiert, dass es um ganz konkrete Personen geht, die individuell von Rechtsnormen betroffen werden?

Ich muss gestehen: Letztlich bin ich – leider – auch nach der Lektüre des Artikels, der Studie und der Leitfäden nicht klüger, sondern eher verwirrter. Immerhin wurde ich neu sensibilisiert und das ist gut.

Eine recht einfache Aufgabe wird es sein, künftig von mir konstruierte Fälle oder Beispiele auch unter dem Gesichtspunkt gender unter die Lupe zu nehmen. Ich glaube, mein nächster Fall wird von einem defekten rosafarbenen Betonmischer handeln, oder ist das jetzt auch Quatsch? Hm….

Wie ich das Problem mit der Formulierung lösen soll, das weiß ich aber wirklich immer noch nicht…

Wie denkst du darüber?

  • Ist dir schon einmal aufgefallen, dass Übungssachverhalte Stereotype beinhalten?
  • Stört es dich, wenn in Wort und Schrift die generische männliche Form verwendet wird?
  • Nervt es dich, wenn zu umständlich formuliert wird, um genderkorrekt zu sein?