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„Worum es im Examen geht“ Teil I: Was die Prüfer*innen erwarten, um dir gute Noten zu geben

von Nov 21, 2017Prüfungshandwerk, Übergreifendes

In einer fünfteiligen Serie von kurzen Beiträgen werde ich dir ein Gesamtbild über das Staatsexamen verschaffen und dabei auch ein paar populäre Irrtümer aus der Welt räumen. Natürlich gilt das Gesagte auch für die Universitätsprüfung.

Die Prüfer*innen, diese unbekannte Wesen…

Im ersten Teil werde ich heute „aus dem Nähkästchen“ einer ehemaligen Prüferin plaudern und dir verraten, wie „die andere Seite“ denkt und wahrnimmt und was sie von den Kandidat*innen erwartet.

Und direkt am Anfang werde ich mich schon korrigieren müssen: Der Ausdruck „die andere Seite“ ist nicht wirklich zutreffend. Erstens gibt es nicht „die“ andere Seite.

In Köln sagt man “jeder Jeck ist anders”. Nun, nicht nur jeder Jeck, auch jeder Prüfer ist anders! Wie heißt es so schön? Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Trotzdem gibt es Merkmale und Denkweisen, die den meisten Prüferinnen und Prüfern gemeinsam sind und die ich dir hier verraten werde.

Wichtig ist auch klarzustellen, dass es nicht um „Seiten“ im Sinne einer Rivalität geht.

Auch, wenn immer wieder Horrorgeschichten von “gemeinen” Prüfern kursieren. Glaub’s mir: Du bist als Prüfer nicht glücklicher, wenn du schlechte Noten vergibst, das ist genau umgekehrt.

Also solltest du zuallererst deine „Furcht“ vor dem Prüfer verlieren! Er ist nicht dein Feind, sondern dein Verbündeter.

Noch einmal: Der Prüfer WILL dir gute Noten geben und du kannst – und solltest – ihm dabei helfen.

Hier gebe ich dir einen kleinen Überblick, was der Prüfer “mag” und braucht, um dir eine gute Note zu geben.

Er möchte die Klausur flüssig lesen können, ohne dass er…

… versucht, deine „Sauklaue“ zu entziffern
… einen Satz dreimal lesen muss, bis er versteht, was du ihm sagen möchtest.
Er möchte „mitgenommen“ werden durch nachvollziehbare Ausführungen und Argumente sowie gelungene Überleitungen, mehr nicht!

Und vor allem:

Er möchte nicht „zugemüllt“ werden mit wirren losen und unsortierten juristischen Bausteinen!

Er möchte, dass du ihm ein fertiges und solides Gebäude lieferst

Es muss nicht genau so aussehen, wie in der ominösen „Lösungsskizze“ gezeichnet! Es muss nur statisch solide sein.

Ja, selbst der schiefe Turm von Pisa ist ok – er fällt ja gerade nicht um, oder?

Der Palast von Numerobis ist dagegen kein gutes Vorbild, sorry Asterix-Fans!

Lieferst du dagegen nur die Stahlstreben, Steine, Sand und Mörtel, dann hast du nur Material, um ein Gebäude zu bauen oder vielleicht auch bereits eine Baustelle, wo die Aufgabe doch war, ein Gebäude zu errichten. Die Baustelle reicht aber unter Umständen nicht einmal fürs Bestehen, egal wie hochwertig die Steine, der Sand und der Mörtel als Einzelelemente sind.

Mit anderen Worten: Du kriegst bessere Noten für ein stehendes Gebäude, auch wenn es eine Etage weniger hat als die Lösungsskizze, als du für die Lieferung aller Materialien für ein unfertiges oder marodes Hochhaus kriegen wirst.

Das waren die Hauptwünsche des Prüfers im schriftlichen Teil. Ich wiederhole und fasse zusammen:

Der Prüfer möchte deine Klausur mühelos lesen können und er möchte deine in sich geschlossene Lösung nachvollziehen können – mehr nicht!

Im Mündlichen möchte der Prüfer aufmerksame Kandidaten vor sich haben, die mit ihm durch die Prüfung gehen. Die genau zuhören, was er gefragt hat, die weder „labern“ noch denen er jeden Satz „aus der Nase ziehen“ muss.

Kandidaten, die mit ihm diskutieren und argumentieren, aber die auch nicht meinen, besser zu wissen, was er hören will. Ich habe es in einer Schwerpunktbereichsprüfung erlebt, dass ein Prüfling dem Mitprüfer ins Wort fiel mit “Sie wollen bestimmt auf die Problematik X hinaus”… Bitte nicht nachahmen!

Das war zusammengefasst die Sichtweise und Erwartungshaltung der Prüfer. Am besten kannst du das visualisieren, wenn du den Prüfer als Gesprächspartner verstehst, den es mit guten Argumenten zu überzeugen gilt und mit dem du – im Mündlichen – interagierst.

Die Wünsche des Prüfers sind genau genommen bescheiden – und doch werden sie zu selten erfüllt. Doch darum sind wir hier – weil es auch anders geht!

In der nächsten Folge, die am Donnerstag erscheint, plaudere ich immer noch aus dem Nähkästchen. Ich erzähle dir, woran es aus Prüfersicht meistens hapert. Dann – in der dritten Folge – wird es darum gehen, was du tun kannst, um deinen Prüfern künftig mehr von dem zu geben, was sie erwarten. Zum Schluss werde ich zwei Folgen den zwei Denkfehlern widmen, die die meisten Kandidaten davon abhalten, ihr volles Potenzial zu entfalten: In Folge vier wird es um den Einwand „ich habe keine Zeit für Optimierungsmaßnahmen“ gehen, in Folge fünf spreche ich die Angst „ich schaff das nicht“ an.

Wie war DEIN bisheriges Bild vom Prüfer?

Siehst du dich bestätigt oder bist du eher überrascht?

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