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Mündliche Prüfung – deine große Chance!

von Apr 18, 2018Prüfungshandwerk

Befolge einen einfachen Tipp und du wirst ab jetzt nur noch mündliche Prüfungen machen wollen!


Das Problem

Viele (wenn nicht die meisten) ExamenskandidatInnen haben regelrechte Angst vor der mündlichen Prüfung. Das ist insofern verständlich, als dich das Studium nicht auf mündliche Prüfungen vorbereitet. Mit Ausnahme des Seminarvortrags haben die meisten Studierenden noch nie eine Prüfungssituation mündlich bestreiten müssen. Und der Seminarvortrag ist insofern noch einmal einfacher, als man ihn vorbereiten, sogar auswendig lernen, kann. Die Angst ist also verständlich.

Das Problem auf den Kopf stellen

Allerdings ist die mündliche Prüfung kein Damoklesschwert, sondern eine große Chance. Dafür musst du einen einfachen Tipp befolgen, der folgendes bewirkt: 

  • Du kannst die Prüfung nicht vollständig vergeigen
  • Du kannst bis zur vollen Punktzahl erreichen, auch wenn du die endgültige Antwort gar nicht kennst

Die Ausgangslage ist, dass – zumindest im Zivilrecht – keine Prüferin oder Prüfer lediglich Wissen, z.B. Definitionen, abfragt. Stattdessen wird meist anhand eines Falles eine Diskussion gestartet, die sich dann verzweigt, je nachdem, wie die Prüflinge mitmachen. Nur als kleinere Sekundärfrage (und meist, wenn die Prüflinge nicht wirklich juristisch „ziehen“), wird reines Wissen abgefragt. 

Welcher Wunder-Tipp soll also in dieser Situation notenrettend sein?

Trommelwirbel…..

Und der Tipp ist…..

Nein, diesmal ist es nicht 42, Anhänger von „per Anhalter durch die Galaxis“ sehen es mir bitte nach!

Ok, noch ein Anlauf.

Der Tipp ist…

Noch lauterer Trommelwirbel….

Entwickle deine Lösung laut! Und zwar jeden einzelnen Schritt! Von Anfang an!

Wie es geht

Das könnte z.B. so aussehen, wenn du gefragt wirst, ob S die Leistung verweigern könnte:

Ich gehe gerade die gängigen Verweigerungsrechte durch. Als erstes kam mir das Stichwort Verjährung, das ist aber Unsinn, da alles an einem Tag geschehen ist. 

Sehr oft wird die Prüferin oder der Prüfer an dieser Stelle einhaken. Vielleicht, um noch was zur Verjährung zu fragen, vielleicht, um dich beim weiteren Weg zu unterstützen. Wenn nicht, könntest du z.B. so weitermachen:

Näher scheint mir die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu liegen. Ich würde gern kurz noch einmal in den § 320 BGB reinschauen. 

Und jetzt schaust du dir an, ob dessen Rechtsfolge passt (tut sie) und ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale vorliegen. 

Selbst, wenn dir eine reine Wissensfrage gestellt wird und du die Antwort nicht kennst, kannst du es so aufziehen:

Auf Anhieb kann ich das nicht beantworten, ich versuche aber die Antwort zu erarbeiten. Falls es eine gesetzliche Definition gibt, müsste sie entweder im Kaufrecht oder im Schuldrecht AT stehen, und zwar von der Systematik her im Untertitel X. 

Wenn der Prüfer oder die Prüferin nicht etwas einwirft, schaust du schnell nach. Und machst in diesem Stil weiter, bis du dich wieder auf sicherem Terrain befindest. Selbst, wenn die Frage weitergegeben wird, gehst du notenmäßig nicht leer aus, denn du hast nicht nur „ich weiß nicht“ geantwortet, sondern juristische Denken gezeigt.

Was es bringt

Wie hilft dir die Taktik des „lauten Denkens“, die oben genannten Ziele zu erreichen?  

  • Wenn du kein fertiges Ergebnis verkündest, sondern eine Lösung entwickelst, kannst du die Prüfung nicht vergeigen. Selbst, wenn die Prüferin oder der Prüfer ursprünglich eine andere Vorstellung davon hatte, wohin die Reise gehen soll, kann sie/er dich noch früh in die Richtung, die sie/er wünscht, lenken. Oder spontan mit dir gehen und auf deinen Weg eingehen.
  • Du kriegst auf jeden Fall Punkte für die Lösungsentwicklung, denn du hast gezeigt, dass du juristisch denken und argumentieren kannst. Und das wird positiv benotet!

Das Kompliment, das mir bis heute am meisten bedeutet, erhielt ich in meiner mündlichen Doktorprüfung. Es handelte sich damals um ein sogenanntes Rigorosum. Das war deiner mündlichen Staatsprüfung insofern nicht ganz unähnlich,  als die Fragen nicht zur Doktorarbeit erfolgten, sondern ich zusammen mit drei anderen DoktorandInnen mündlich geprüft wurde im Zivilprozessrecht, Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichen Recht. Dieses Kompliment, das mir der Prüfer im Zivilrecht machte, begann mit

Frau Lakkis hat offensichtlich keine Ahnung von der konkreten Vorschrift….

Jetzt denkst du vielleicht „autsch“ und fragst dich, wie ich das denn bitte sehr als Kompliment ansehen kann? Das verrate ich dir gleich.Teil zwei lautete nämlich:

… aber Donnerwetter kann sie juristisch denken!

Und jetzt rate mal, ob mich die konkrete „Ahnungslosigkeit“ Punkte und die Achtung der Prüfer gekostet hat? Eben!

Aus meiner Erfahrungsschatzkiste

Zum Schlus doch noch ein disclaimer

Eine kleine “Warnung” muss ich zum Schluss doch noch anbringen: Der Tipp ist tatsächlich einfach im Sinne von nicht kompliziert. Leicht ist es ganz sicherlich nicht, ihn zu befolgen. Das muss geübt werden und das nicht zu knapp.

Das kannst du nur beschränkt allein, am besten geht es mit einem Sparringspartner (z.B. aus der Lerngruppe) oder Lern-coach.

Aber Zeit und Mühe lohnen sich! Stell dir vor, wie schön das Gefühl sein wird, voller Erwartung und Zuversicht, Noten “reinzuholen” in die mündliche Prüfung reinzugehen, statt voller Angst, es zu vermasseln!

Also krempel die Ärmel hoch und übe, (unbekannte) Lösungen laut zu entwickeln!