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Zeit- & Aufmerksamkeitsmanagement in der Klausur

von Mrz 11, 2022Prüfungshandwerk

Die Schreibzeit läuft – und nun?

Wieviel Zeit solltest du dir anfangs nehmen, bevor du „richtig“ in die Klausurlösung einsteigst?
Die Antwort lautet wie so oft in Jura (bzw. im Leben!): Es kommt darauf an!
Es gibt aber durchaus ein paar Parameter, die dir anzeigen, wann es Sinn ergibt, mehr Zeit mit der Vorbereitung zu verbringen und wann nicht.
Ab da kommt es auf die alte Weisheit hinaus: Übung macht die MeisterInnen!
Bild von Katrina_S auf Pixabay
Transkript

Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.

Einen wunderschönen guten Morgen! Diese Podcast-Folge wurde inspiriert durch ein Video, das ich eben abgedreht habe. Da geht es darum, wie man mit einem unbekannten Gesetz umgeht, das einem angegeben wird im Bearbeitervermerk in der Examsklausur, wo es heißt, ich weise auf das Gesetz X hin und das findest du im Schönfelder dort und dort und die und die Paragrafen nimmst du.

Und da habe ich erklärt, wie man vorangeht, wie man erst mal als allererstes und wichtigstes rausfindet, an welcher Stelle und mit eventuell welcher Auswirkung dieses Gesetz relevant wird in dem Gutachten. Und da hatte ich dann gesagt, wenn man das erkannt hat, dann legt man das Gesetz am besten auf die Seite und befasst sich nicht damit, bis man an diese Stelle gekommen ist, von der man jetzt weiß, es geht an das richtige Lösen.

Ich bin Panajota Lakkis, ehemalige Universitätsprofessorin und passionierte Juristin.

… Und ich weiß nicht, ob es euch ähnlich geht, aber bei mir hallen die Dinge ständig nach im Hirn. Und auch wenn ich etwas abgedreht habe, überlege ich noch weiter und es geht mir nicht aus dem Kopf.

Und da habe ich gedacht, vorhin, dass das ja ein Thema ist, das ich insgesamt noch nicht angesprochen habe. Nämlich, wie mache ich ein sinnvolles Zeit- und Aufmerksamkeitsmanagement in der Klausur. Und zwar gehe ich davon aus, dass selten, wenn du einen Sachverhalt umdrehst, du von Anfang an alles ganz genau weißt, worum es da geht.

Das heißt, du musst Vorarbeiten machen, aber gleichzeitig musst du aufpassen, dass die nicht zu lang ausfallen. Denn wenn du vor lauter Überlegen und im Kopf durchgehend zum Schluss nicht genug Zeit hast, dann ist das gepflegt nach hinten losgegangen. Und der zweite Punkt ist, dass du oft gar nicht ohne jeden einzelnen Lösungsschritt zu gehen sicher sagen kannst, ob und auf welche Probleme genau es ankommen wird in deiner Lösung.

Das heißt, dass du insbesondere im Zivilrecht gut beraten bist, so schnell wie möglich richtig anfangen zu lösen und dass es selten sinnvoll ist, die gesamte Lösung sich erstmal sozusagen notizhalber zurechtgelegt zu haben. Jetzt ist es allerdings auch hier natürlich so, dass es immer auf den Einzelfall ankommt und dass es manchmal trotzdem gut ist, wenn du deine Axt eine ganze Stunde schärfst, bevor du loslegst, bevor du mit einer stumpfen Axt loslegst, nur weil du meinst, du hättest nicht die Zeit, sie zu schärfen. Das ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft.

Letztlich kann nur die Erfahrung einen richtig weiterbringen. Und deswegen ein Plädoyer von mir, so früh wie möglich, spätestens in der Examsvorbereitung, aber besser auch früher unter realistischen Bedingungen versuchen zu performen. Und zwar bedeutet das, mit genau so viel Zeit, wie du auch in der scharfen Klausur hättest und mit genau denselben Hilfsmitteln, die auch in der scharfen Klausur zulässig sein werden.

Kein Telefonjoker, kein ich-komm-nicht-weiter, also gucke ich doch mal in die Lösung rein, wenn du sie hast, beziehungsweise in ein Lehrbuch oder Kommentar. Okay, trotzdem möchte ich jetzt natürlich doch ein bisschen konkreter werden, als dass ich dir sage, das ist ein Problem, das es gibt und letztlich weiß ich selber keine Lösung. Ich weiß durchaus einige Punkte, die helfen können, zu entscheiden, was jetzt heute sozusagen die bessere Vorgehensweise ist.

Das Erste ist, und das ist auch eine gute Nachricht, im Zivilrecht ist es selten ein Problem, bereits die Anspruchsgrundlage, um die es offensichtlich hauptamtlich geht, zu finden. Es gibt Klausuren, wo man sich am Kopf kratzen muss und wo man gar nicht mal sicher ist, wo und wie man ansetzen sollte. Im Zivilrecht sind sie aber die Ausnahme.

Im Zivilrecht ist das in der Regel so, dass die Hauptanspruchsgrundlage relativ klar zu finden ist und in einer solchen Klausur und solchen Situation würde ich dazu raten, so früh wie möglich anzufangen zu lösen und so wenig Zeit tatsächlich im Vorfeld verstreichen zu lassen, so wenig wie möglich. Eine Ausnahme gibt es dann, wenn der Sachverhalt auf etwas rumreitet, wo du nicht auf Anhieb weißt, an welcher Stelle das relevant sein sollte, gleichzeitig aber du ganz klar erkennst, dass es ganz sicherlich relevant sein wird, denn es wird, wie gesagt, darauf rumgeritten. So viele Angaben, die da gegeben werden, das muss irgendwas zu bedeuten haben.

Die eine Hilfstellung, die dir oft die AufgabenstellerInnen geben, ist, sehr oft hast du bei Klausuren, dass drinsteht, der G verlangt das und der S sagt Nein, ein Vertrag sei gar nicht zustande gekommen und wenn überhaupt, dann sei die Form nicht gewahrt worden und dann sagt der G, ja, aber das ist geheilt worden und durch dieses Geplänkel, was oft viel zu wenig strategisch tatsächlich beachtet wird, führt dich sehr oft, sehr netterweise der Aufgabensteller oder die AufgabenstellerIn durch die Prüfungsstruktur, insbesondere durch den Hauptanspruch und dann unter Umständen Einwendungen oder Einreden usw. Das heißt also, sensibilisiert werden, wenn du Angaben hast im Sachverhalt, die du überhaupt nicht verorten kannst, nicht wenn nur da drinsteht, dass eine Immobilie in München war oder in Saarbrücken oder wo auch immer, sondern wenn wirklich rumgeritten wird auf einen Lebenssachverhalt-Abschnitt, den du nicht einordnen kannst, dann lohnt es sich auf jeden Fall, bevor du anfängst zu lösen, zu verorten, an welcher Stelle von der Struktur deines Gutachtens das wohl jetzt relevant werden könnte. Und hier geht es aber nicht um eine volle Lösung, sondern an welcher Stelle du denn sagen wirst, es könnte aber.

Und das war das Beispiel in dem Video, das ich gedreht habe, da ging es um den Umgang mit unbekannten Gesetzen, da war das das Anfechtungsgesetz und da habe ich mit euch zusammen dann versucht zu entwickeln, wie man da rankommt und rangeht und wie man findet, an welcher Stelle welche Überleitung man haben wird. Und wenn man das gefunden hat, dann legt man das außen vor. Und wie gesagt, auch da gibt es die Hilfestellung aus der Wirknorm des Gesetzes, aber sehr oft hast du den Fall, dass du nicht verstehst, worum es geht und warum etwas so stark und breit getreten wird im Sachverhalt, dann kann es sein, dass du trotzdem eine Hilfestellung kriegst mit diesem, was der eine behauptet, was der andere entgegnet.

Wenn das nicht der Fall ist, dann musst du natürlich selber überlegen und auch da überlegst du in Wirknormstrukturen, das heißt, du überlegst in Auswirkungen, in Ergebnissen, nicht in Voraussetzungen, in Tatbestandsvoraussetzungen, sondern wenn drin steht zum Beispiel in einer Klausur, dass jemand etwas gezahlt hat, ohne aber eine Rechtspflicht anerkannt zu haben und du hast keine Ahnung, an welcher Stelle das relevant sein könnte, dann überlegst du ergebnisorientiert insofern, dass du dir sagst, die Angaben, die ich habe, jemand hat gezahlt, was bringen die denn für eine Rechtsfolge im Sinne von, was verändern die denn? Und da käme man, okay, Untergang des Anspruchs 362 unter Umständen und da geht es nicht darum, ob das wirklich eine Erfüllungswirkung ist oder nicht, aber darum, da in diesem Bereich wird der Hase im Pfeffer liegen und das reicht dann auch schon. Und wenn du dann so weit bist, dann kannst du sagen, okay, ist die Aussage ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, heißt das, dass ich bereits keine Erfüllungswirkung haben will oder was heißt das?

Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist allerdings, dass du erkennst, relevant kann diese Zahlung nur werden an der Stelle, wo unter Umständen ein Untergang wegen Erfüllung in Frage käme. Und das reicht schon.

Und wenn du da so weit bist, ist mein Rat, zur Seite zu legen und nicht dein Hirn im Hintergrund mit etwas zu befassen, was du nicht beherrschst, sondern erst die Dinge runterzuschreiben, die du gesichert kannst, um sozusagen viele Fleißpunkte zu sammeln. Und wenn du rangekommen bist an die konkrete Problematik, dann kannst du dann überlegen und je besser du das beherrschst, desto mehr Zeit wirst du dann auch haben, weil du eben vorher so effektiv vorgegangen bist.