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TLDL: Too long, didn’t listen

von Mai 6, 2022Prüfungshandwerk

Das Känguru sagt es – und es gilt auch für dich!

In einem der fabelhaften Bücher von Marc-Uwe Kling sagt das Känguru, während er Opern quatscht: TLDL – Too long, didn’t listen.
Das kann dir auch in der Klausur passieren, wenn du Meinungsstreitigkeiten von oben, unten, links und rechts beleuchtest. Die KorrektorInnen werden zwar „weiterhören“ iSv weiterlesen, aber du wirst es ihnen damit immer schwerer machen, dir zu folgen. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass du dich in Widersprüchlichkeiten oder wirren Aussagen verstrickst. Auch nicht gerade förderlich für deine Note!
Übe ab jetzt, dich kurz und präzise zu fassen. Die Pflicht ist das Strukturverständnis und der logische Prüfungsaufbau. Meinungsstreitigkeiten sind die Kür, es reichen so gut wie immer zwei und für jede von ihnen ein (das maßgebliche) Argument. Das gilt auch für deine Entscheidung, welcher Meinung du folgen willst.
Also quatsch keine Opern, es ist nicht erforderlich und meist geht es sogar nach hinten los.

Bild von Peter Fischer auf Pixabay

Transkript

Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.

Einen wunderschönen guten Morgen! Wer länger dabei ist oder schon in meinen Vorlesungen war, der weiß, ich liebe das Känguru von Marc-Uwe Kling. Die Känguru-Trilogie und danach kommen ja nochmal die Känguru-Apokryphen, so dass es vier Bücher sind.

Und in einem dieser Bücher, ich weiß nicht mehr in welchem, schwadroniert der Marc-Uwe Kling so vor sich hin und da fällt ihm das Känguru ins Wort und sagt TLDL – Too Long, Didn’t Listen.

Und als ich das gehört hatte, ich habe die nämlich als Audiobooks köstlich vom Autor selbst gelesen, als ich das also hörte, habe ich mir gedacht, Mensch, die Situation kenne ich, wenn ich Examensklausuren korrigiere. Manchmal, wenn mir dann Studierende Meinungsstreitigkeiten so breittreten, beziehungsweise diese Entscheidung für die eine oder die andere, dass ich irgendwann wirklich mir denke, okay, genau genommen wäre das TLDL, kann ich aber nicht bringen, ich muss ja zu Ende hören beziehungsweise lesen, aber trotzdem, besser wird die Note dadurch nicht. Insbesondere, wenn damit die Gefahr auch steigt, dass man sich in Gegensätzlichkeit, in Widersprüchlichkeiten verstrickt und eben die logische Stringenz leidet oder gar völlig untergeht.

Und das ist schade. Es ist auch im Examen nicht so, dass mehr oder besser ist. Es ist so, dass die Aufgabe nicht darin besteht, so viel wie möglich zu schreiben, sondern so präzise und prägnant und damit verständlich zu schreiben, dass mühelos oder so mühelos wie möglich die KorrektorInnen die Arbeit lesen und beurteilen können.

Und da ist es nicht sinnvoll, zehn Argumente zu bringen. Pick dir eins raus, das was das wichtigste ist und so gut wie immer reicht das. Das ist allerdings gar nicht so leicht.

Es ist eine einfache Anweisung, die ich dir gebe, sie ist aber nicht leicht. Denn dazu muss ich genau verstanden haben, worum es geht und was ich weswegen jetzt schreibe. Gleichzeitig ist also die Länge und Verwirrtheit deiner Ausführungen ein sehr guter Indikator für deinen Verständnisstand.

Und wenn du ab jetzt schreibst und merkst, du kannst dich nicht kurz fassen, dann ist irgendwas da, wo du nachfassen willst, damit du besser verstehst und damit auch besser und präziser die Sachen wiedergeben kannst. Natürlich ist das auch eine gewisse subjektive Frage. Personen wie ich, die derart passioniert Dinge erklären, die erklären auch etwas von links, von rechts, von oben, von unten.

Aber das ist dann eine andere Situation. Ich würde nicht von so vielen Seiten in einer Prüfungsklausur reinschreiben. In der Vorlesung und wenn ich mit euch Lösungen durchgehe, dann mache ich das, weil das eben ein Teil des Effektes ist, dass ich mich nicht nur präzise an die Lösung halte, sondern auch zeige hier, aber einerseits und andererseits, denn da geht es darum zu verstehen, um später aus dem einerseits, andererseits, dritterseits, oben, unten, links, rechts, diagonale Betrachtung, um daraus die rauszupicken, die, die für dich wichtigste ist und auch die, die du am besten wiedergeben kannst.

Und deswegen ist eine gute Examensklausur, die jetzt korrigiert wird, nicht die, die genau so ist, wie die der Lösungsvorschlag wäre. Denn oder das, was man als Musterlösung vermeintliche, die Musterlösung ist eine pädagogisch angereicherte Musterlösung, weil man anhand derer lernen soll. Und das wird oft zu Recht verkannt von den Studierenden, weil wir zu wenig darauf hinweisen.

Wenn wir eine Klausur lösen zu Übungszwecken, dann gehen wir auf alle Facetten ein und machen nicht jedes Mal kenntlich, dass selbstverständlich das alles gar nicht drin sein kann und ich füge dazu auch gar nicht mal so ausführlich drin sein sollte, weil das dann vielleicht TLDL wird. Und der Effekt ist einerseits panische Schübe von Studierenden, die davor, wie sie es optimalerweise tun sollten, selber versucht haben zu lösen und dann zu der Besprechung gehen und dann sich denken, ach du liebe Neune, ich habe nicht alles drin gehabt und dieser panische Schub ist nicht gerechtfertigt und erst recht nicht der folgende Impuls, dann gerade da, wo es Meinungsstreitigkeiten und einerseits, andererseits dritte Meinung, da zu versuchen, so viel davon zu lernen wie möglich, um das zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das TLDL wird, ist sehr groß und die Gefahr, dass es nicht mehr nur das Too Long, sondern Too Verwirrt, den TLDL, wird, die wird natürlich damit gesteigert.

Ich rede mir den Mund fusselig, ich hoffe, dass einige bereits das verinnerlicht haben, wenn nicht, dann werde ich so lange das weiter predigen, bis es sich immer mehr durchsetzt. Die Meinungsstreitigkeit, das einerseits, andererseits sind die Kür. Die Pflicht ist, die Strukturen zu verstehen, die Überleitungen und wenn man das vollständig beherrscht, dann kann man, ich stelle die These auf, jede zumindest zivilrechtliche Klausur bestehen, auch wenn man die Meinungsstreitigkeiten nicht drin hat.

Und umgekehrt, ohne die Struktur sind die Meinungsstreitigkeiten nichts, was dich weiterbringen wird und unter Umständen werden sie dazu führen, dass deine Ausführungen TLDL werden. Okay, also mal wieder ein Plädoyer für Qualität statt Masse und was bedeutet Qualität insbesondere im Zivilrecht? Qualität bedeutet Strukturverständnis, Systemverständnis und nicht so viele Meinungsstreitigkeiten wie möglich.

Und wenn du in der Phase bist, wo du Meinungsstreitigkeiten hinzunimmst, versuch nicht alle 14 davon zu lernen und wiederzugeben, zwei reichen so gut wie immer und auch da ein maßgebliches Argument für jede reicht noch einmal mehr. Du musst nicht von allen Winkeln das betrachten und selten bringt es dir auch was und deswegen willst du es auch nicht. Okidoki, das war’s auch für diese Woche, danke fürs Zuhören und bis nächste Woche!

Dr. iur. habil. Panajota Lakkis

Ehemalige Universitätsprofessorin & Prüferin. Ergo weiß ich genau, was du brauchst in deinem Jurastudium. In meinen Kursen lernst du, Jura zu verstehen. Im Podcast (Standorte im Player) und auch auf YouTube kannst du nach Lust und Laune stöbern. Du kannst auch mehr über mich erfahren. Oder ab und zu eine Mail mit juristischen und jurafreien Goodies erhalten.

Mein aktuelles Motto: Was wäre, wenn?

Meine Überzeugung: Jura macht ab dem Moment Freude macht, in dem du die Zusammenhänge verstehst.

Vielleicht kann ich dir helfen, (wieder) Freude an Jura zu finden?