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Warum du (mehr) Urteile lesen könntest

Mai 5, 2024Lernen & Vorbereiten

Hand aufs Herz: Glaubst du den Kommentaren bzw. Lehrbüchern, oder liest du die angegebenen Urteile auch selbst durch?

Warum es gefährlich ist, sich auf Sekundärquellen zu verweisen und was es dir bringt, die Primärquellen gründlich zu lesen und nachzuvollziehen.

Transkript

Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.

Jura Meistern, der Podcast von und mit Panajota Lakkis, Episode 181.

Einen wunderschönen guten Morgen. Hand aufs Herz, wann hast du zuletzt eine gerichtliche Entscheidung ganz gelesen?

Kann gut sein, dass es länger her ist, wenn überhaupt. Weil man doch dazu geneigt ist, sich mehr auf Sekundärliteratur, wie sie genannt wird, zu verlassen. Du liest in den Lehrbüchern maximal mal in einem Kommentar und dann hast du eine Fußnote, wo drunter steht BGH irgendwas. Das ist verständlich und ganz sicherlich kannst du nicht alle Entscheidungen, die irgendwie genannt werden, selber lesen.

Nicht nur, du kannst es nicht, sondern es wäre auch nicht zielführend. Aber wie so oft im Leben gibt es zwischen tief schwarz und schneeweiß viele Grautöne und dafür möchte ich dich jetzt mal sensibilisieren. Zu allererst wirst du vielleicht dir denken, was betrifft mich das jetzt alles als Studierende? Ich bitte dich da kurz innezuhalten.

Ich werde zuerst sagen, warum du später in deinem Leben sehr, sehr gefährlich lebst, wenn du diese Entscheidungen, die wichtig sind, nicht selber liest. Und dann komme ich zu deiner Situation zurück. Lass uns das mal rückwärts irgendwie angehen oder vorwärts in dem Sinne, dass ich jetzt in die Zukunft projiziere. Also erstens, einige von euch werden wissenschaftlich arbeiten und da ist es natürlich ganz, ganz, ganz wichtig, niemandem zu trauen und fremd zu zitieren.

Denn, glaub es mir, die meisten machen das so, oder nein, nicht die meisten, viele machen es so und deswegen gibt es sehr, sehr, sehr viele Fehler. Das ist mir zum ersten Mal so krass aufgefallen, wie so die Kette ist, als ich für das Startprojekt bevor der Jurispraxiskommentar entwickelt wurde, hatten wir die Materialien zur Schuldrechtsmodernisierung aufbereitet. Ich war damals nur ausführendes Organ, die Herausgeber hatten das selbst geplant und ich war zuständig dafür, das zu organisieren mit mehreren, die mir auch selber dann zugearbeitet haben, dass man auf der einen Seite in einer Tabellenfunktion war, dass die Aussagen aus den Begründungen jeweils aus den Materialien hatten und rechts davon eben eine Zusammenfassung, so dass man in dieser rechten Liste durchscrollen konnte. Das hieß, glaube ich, Materialien für Eilige gibt es nicht mehr online, war damals halt, ist mittlerweile obsolet geworden.

Okay, und da habe ich in einer Sache gesehen, die sich verändern sollte, einen Verweis auf eine Entscheidung, ich glaube, das war irgendwie OLG Düsseldorf, und das habe ich dann überprüft und diese Entscheidung, die hat ganz was anderes beinhaltet und offensichtlich war das ein Verdreher, ich weiß jetzt nicht mehr, ob das falsche Seitenzahl war oder falsche Jahreszahl, ich glaube sogar falsche Jahreszahl. Auf jeden Fall, das war ein Urteil, das nicht nur nicht genau das gesagt hat, sondern, sagen wir mal jetzt, ich weiß jetzt nicht, ob das so war, auf dieser Seite stand jetzt ein strafrechtlicher Fall, obwohl es bei den Materialien der Schuldrechtsmodernisierung, was weiß ich in dem konkreten Fall, um Schuldrecht ging. Und dann habe ich mal in sämtliche Kommentierungen und da, ach so, jetzt kommt es mir nochmal genauer, und der Regierungsentwurf verweist, um zu begründen, wie es bisher war, auf diese vermeintliche OLG Düsseldorf-Entscheidung. Und überall in sämtlichen Kommentaren habe ich dann gesucht, diese Aussage zum Thematischen und überall wurde sie mit OLG Düsseldorf und diese Daten angegeben und ich habe es zurückverfolgen können historisch.

Als erstes hatte ein Autor im Parlante, heute Grüneberg, im Parlante das so geschrieben und alle anderen haben offensichtlich das so übernommen und keiner hat das geprüft, denn sonst wäre das irgendjemandem aufgefallen. Und das ist zuallererst peinlich, wenn das passiert. Das ist super peinlich und dafür musst du nicht einmal wissenschaftlich publizieren. Stell dir mal vor, du arbeitest irgendwo und deine Vorgesetzte oder dein Vorgesetzter sagt, bereiten sie mir mal bitte Folgendes vor und dann überprüft er das und du guckst dann dumm.

Und ja, nicht jeder überprüft, aber einige überprüfen. Ich kann dir sagen, mein akademischer Lehrer damals, Hans Friedhelm Gaul aus Bonn, hatte mir eingeschärft, dass ich auf gar keinen Fall fremd zitieren dürfe und er hat das auch überprüft. Stichprobenartig, aber er hat das überprüft, als ich ihm meine Habilschrift eingelegt habe. Und woher weiß ich das?

Ich weiß es daher, dass er trotzdem einen Fehler erwischt hat, obwohl ich reingeschaut hatte, aber offensichtlich nicht sorgfältig genug. Also was ist mir passiert? Das ist heute schon zum Lachen. Ich habe mir gedacht, ich muss es überprüfen und fand irgendwo eine Angabe und dann wurde ein Aufsatz zitiert.

Ich glaube, der war von Jauernick mit der Seite und ich habe die, ich glaube, das war ZZP in der Zeitschrift und dann habe ich das aufgeschlagen, nur auf dieser Seite und ja, es stand drin das, was ich gesucht habe. Und dummerweise war jetzt natürlich mein akademischer Lehrer weitaus besser in dem Thema als ich und hat sich gedacht, das kann der Jauernick so nicht gesagt haben und guckt da rein und was entdeckt er? An dieser Stelle referierte Jauernick über jemand anderen, was der gesagt hat und er hat das lediglich nicht immer in indirekter Rede gemacht und ich habe aber nicht bereits an der Vorseite angefangen zu lesen und sah deswegen nur, dass in einem Aufsatz von Jauernick die Aufsage X drin stand und habe ihn damit zitiert und er hatte das nur referiert und im Anschluss gesagt, er sei nicht einverstanden. Was habe ich daraus gelernt?

Die Dinge immer im Kontext nachzuschauen und zwar nicht nur diesen Satz zu suchen, sondern in welchem Setting der drin ist, wie fügt er sich insgesamt ein in diesen Aufsatz und das Gleiche gilt natürlich auch für Urteile. Eine ähnliche solche Problematik, wo offensichtlich AutorInnen nicht das gesamte Urteil gelesen haben, habe ich gefunden, als ich mal eine Klausur aufbereitet hatte für Studierende, da ging es irgendwie um die Haftung des Vermieters für Mängel an der Mietsache, die verschuldensunabhängige Haftung, wenn sie bereits unerkannt existierten bei Übergabe der Sache und da wird der BGH mit einem Urteil überall zitiert mit dem Leitsatz, dass eben diese verschuldensunabhängige Haftung auch nicht durch AGB, auch nicht bei leichter Fahrlässigkeit abgedungen werden kann und ich hatte mir das Urteil durchgelesen, um das gut erklären zu können, warum das denn so ist, weil mir die Begründung nicht so ganz stichhaltig erschien und was sah ich, dass da drin stand in diesem Urteil, zumindest in Fällen wie diesem, wo der Einzige, der dieses Risiko versichern kann, der Vermieter ist und der Mieter kann das gar nicht versichern, weil es um Gebäudeversicherung geht und die kann die Hausrats

versicherung, die der Mieter abschließen kann, die würde das nicht abdecken und das war letztlich dieser springende Punkt, dieses zumindest in Fällen wie hier, dieses zumindest in diesen Fällen ist aber dann verschütt gegangen und daraus ist eine allgemeine Aussage gemacht worden und das ist dann keine gute Idee und schon gar nicht, wenn du irgendwann Anwältin oder Anwalt bist, dann reitest du deine Kundin und Kundinnen, deine Klientinnen heißt das ja dort, dann reitest du die rein, wenn du unter Umständen diese Feinheit nicht entdeckt hast und jetzt sagst du vielleicht, okay, was nützt mich das denn jetzt alles, ich bin noch Studentin oder Student. Punkt eins, du schreibst auch halb wissenschaftlich als studierende Person und zwar, wenn du schriftliches einreichst, das belegt wird, das heißt einerseits Hausarbeiten und andererseits Seminararbeiten und da musst du immer damit rechnen, dass entweder ganz bekannt ist dem KorrektorInnen, was in dem konkreten Urteil drin steht oder nicht drin steht oder dass die eben stichprobenartig überprüfen, ob das, was du jetzt auf was du verwiesen hast, auch wirklich so stimmt und deine Aussagen stützt und deswegen und nicht nur deswegen, nicht damit du nicht entdeckt wirs

t, du willst etwas ordentliches abgeben und das bedeutet in diesen Fällen, dass du jede einzelne Entscheidung, die du zitierst in einer Sache auch durchgesehen haben musst und das bedeutet und wiederum, wie schaut man sie sich an? Man schaut sie sich an, indem man auch den Tatbestand sich anschaut, den Sachverhalt, was war denn jetzt, was ist denn jetzt passiert tatsächlich, um ein Gefühl für die Interessenlage zu erzielen, zu erreichen?

Stürz dich bitte nicht direkt auf die rechtlichen Ausführungen, denn dann hast du eben genau diesen Blick für die Interessenlage nicht und lies eben Sämtliches durch und natürlich, Anfängerfehler, denke dran, dass gerade BGH-Urteile in der Regel erst einmal referieren, was das Berufungsgericht gesagt hat und dann ihre Ansicht dann dazugeben. Nicht, dass es dir auch da so ähnlich passiert wie mir damals mit dem Aufsatz vom Jauernig. Okay, also zuerst, du bist auch Wissenschaftler im Studium, wenn du eine Hausaufgabe abgibst oder aber noch mehr eine Seminararbeit, das ist das Erste und das Andere ist, dass du eben nicht früh genug beginnen kannst, dir diese Skills anzueignen, die du später brauchen wirst. Wenn du dir erst angewöhnt, schludrig einfach zu vertrauen einem Lehrbuch oder auch einer Kommentarliteratur und nie was zu überprüfen, dann wirst du immer nur Mitläuferin maximal sein und relativ unreflektiert durch die Gegend laufen und das ist keine gute Einstellung, übrigens nicht nur für Jura.

Erst selbstständig denken und dann übernehmen, was andere sagen und wenn übernehmen, nicht unkritisch übernehmen. Das Erst-selbstständig-Denken, das ist wieder eine andere Geschichte, dass man sich erstmal selbst überlegt, wie würde ich das lösen, bevor man überhaupt irgendeine Literatur oder Datenbank zurate zieht. Das ist wieder ein anderer Punkt, aber ab dem Punkt, wo du rangegangen bist, guck dir das an, insbesondere auch du als Student, auch wenn du nicht gerade etwas schreibst, eine Hausarbeit oder eine Seminararbeit, aber in den Bereichen, wo dir schwer fällt zu verstehen, warum eine Regelung so ist, statt zu lernen, was der BGH gesagt hat, lies doch durch und vollziehe nach, was der BGH gesagt hat, dann wirst du es oft viel besser verstehen. Zumindest, indem du zwei unterschiedliche Möglichkeiten hast, wie dir das dargelegt wird.

Das eine, die Interpretation einer Autorin oder eines Autors und dann, wie der BGH das selber gesagt hat und natürlich ist authentischer, wie der BGH das gesagt hat, kann trotzdem, deswegen ist trotzdem die Sekundärliteratur nicht für die Kanz, denn vielleicht kann dir jemand dann einen Blickwinkel zeigen, wie er den BGH versteht, an dem du gar nicht gedacht hattest. Der muss übrigens auch nicht stimmen, der Blickwinkel. Blickwinkel sind nun mal sehr individuell und manche schielen auch, dass die Blickwinkel ein bisschen, sagen wir mal, durch die Gegend fliegen. Also lange Rede, kurzer Sinn, übernehme nie unreflektiert und ungeprüft Aussagen und denke nicht, dass sie erstens überhaupt stimmen können und das ist damit der erste Grund, warum du das nicht tun solltest.

Unter Umständen stimmen die gar nicht. Das wäre Punkt Nummer eins. Nummer zwei, du wirst sehr viel besser verstehen, worum es da ging und es dir deswegen auch dann merken können, wenn du eben erst den Sachverhalt gelesen hast, wenn du verstanden hast, worum es da ging, warum gestritten wurde, was die Interessen waren, die gegenläufigen und dann wirst du auch sehr oft dann erkennen, dieses zumindest in Fällen wie dieser und dann wirst du das auch ganz anders verstehen können, als wenn du dir sagst, wieso sagt der BGH das denn so? Ja, er sagt das gar nicht so absolut, wie es weitergegeben wurde.

Er sagte das dort und da hatte das einen konkreten Sinn und der Sinn, der stand im Zweifel im Urteil drin. Also egal, ob du Urteile oder Beschlüsse, um das jetzt mal präzise zu formulieren, hast, auf die gezeigt wird oder auch Aufsätze, natürlich das und erst recht, wenn du wissenschaftlich arbeitest in einer Seminararbeit, wird auf einen Aufsatz gezeigt oder auf eine Monografie, dann liest sie natürlich die Monografie nicht zwingend ganz durch, aber schau und schau dir nicht nur, wie ich damals die Seite, auf die verwiesen wird, an, ob du diesen Satz da findest, sondern liest das mal im Kontext durch und wenn du dir das angewöhnst, nie einfach nur Sachen unreflexiert so hinzunehmen, dann wirst du auch in deinem weiteren Leben profitieren. Du wirst nicht nur eine bessere Juristin, ein besserer Jurist, sondern du wirst auch sonst, nicht nur, weil in einem Forum irgendjemand sagt, mach das so, es so machen und dann zum Beispiel bei der Reparatur deiner Spülmaschine oder was weiß ich, die schrotten, sondern du wirst überlegen, warum denn und leuchtet es mir ein und wie war das denn genau und was hat denn zum Beispiel der Hersteller authentisch gesagt zu dieser Spülmaschine, die ich gerade hier habe. Okidoki, als

o dann, ich bin mal gespannt, ob du jetzt nach wie vor die Verweise in Lehrbüchern oder auch Kommentaren oder Monografien oder Aufsätzen, ob du die nach wie vor so einfach übergehst oder ob ich dir nicht doch ein bisschen den Samen eingepflanzt habe, dass du dir denkst, da könnte ich doch mal ein bisschen öfter mal reinschauen.

Insbesondere bei denen, wo es wichtig ist, wo es grundsätzliche Dinge sind und noch mehr da, wo es etwas ist, was dir nicht bereits der logische Menschenverstand so gibt, der gesunde Menschenverstand. Immer dann, wenn du dir denkst, warum ist das denn so? Wenn das nicht evident ist für dich, dass das so sein muss und evident macht es nicht, dass die Person x das gesagt hat, sondern wenn du das nicht selbst direkt mit deinem gesunden Menschenverstand so nachvollziehen kannst, dann ist es immer wert, dann die Primärquelle, die das so behauptet hat, dir anzuschauen, ob das jetzt ein gerechtliches Urteil ist, ein Beschluss, ob das ein Aufsatz ist, ob es ein Verweis auf einen Kommentator ist oder eine Kommentatorin oder es in einem Aufsatz stand oder in einer Monografie. In diesem Sinne frohe es hinterfragen, frohe es überprüfen, frohe es nachforschen.

Wir hören uns. Danke für die Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal.

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🤫 Geheimtipp: Auf Notion habe ich einen juristischen Second Brain aufgestellt, den ich dir gern zur Verfügung stelle. Hier findest du Querverweise zwischen den Podcastfolgen nach Lust und Laune, aber auch die Querverbindungen zwischen den Themen, die ich im kostenpflichtigen Mitgliederbereich bereitstelle. Gern geschehen 😘!

 

Dr. iur. habil. Panajota Lakkis

Ehemalige Universitätsprofessorin & Prüferin. Ergo weiß ich genau, was du brauchst in deinem Jurastudium. In meinen Kursen lernst du, Jura zu verstehen. Im Podcast (Standorte im Player) und auch auf YouTube kannst du nach Lust und Laune stöbern. Du kannst auch mehr über mich erfahren. Oder ab und zu eine Mail mit juristischen und jurafreien Goodies erhalten.

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