Was ich bei Jura unterschätzt habe
Augen auf bei der Partner*inwahl – auch was das Studium (oder die Spezialisierung) betrifft!
Transkript
Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.
Jura Meistern, der Podcast. Episode? Oh mann, frag mich nicht. Ich weiß es gerade nicht auswendig.
Ich bin mir aber ganz sicher, es wird irgendeine Episoden-Nummer sein.
Einen wunderschönen guten Morgen. Nach dem etwas flapsigen Intro wird es jetzt ein bisschen nachdenklicher. Ich möchte nämlich sprechen über einen Aspekt von Jura, den ich damals, als ich mich für Jura entschied, nicht so ganz klar gesehen habe und den ich ehrlich gesagt auch unterschätzt habe.
Welcher ist das? Lass mich ein bisschen ausholen, es wird nicht lange dauern. Ich beginne in Deutschland mich juristisch zu betätigen. Nicht, dass es in Griechenland anders gewesen wäre, aber ich habe nun mal nach Studium und Referendariat hier weitergemacht.
Ich arbeite am Lehrstuhl damals als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Ich begleite den Übergang von dem Konkursrecht, der Konkursordnung zur Insolvenzordnung. Ich mache die Schuldrechtsmodernisierung mit. Ich mache Prozessrechtsmodernisierungen mit.
Ich mache Verbraucherschutz, die ganzen neuen Instrumente mit. Und es nimmt kein Ende. Das ist völlig normal. Denn was ist Jura?
Jura ist die Wissenschaft, die sich befasst mit den Gesetzen. Die Gesetze regeln unser Leben und unser Zusammenspiel untereinander, untereinander unter Privaten, mit dem Staat und so weiter und so fort. Das Leben entwickelt sich, die Gesetze entwickeln sich. Und manchmal entwickeln sie sich nicht nur, sondern sie werden ganz aufgereppelt.
Wenn ich mal in Strick-Terminologie sprechen will, alles wird aufgereppelt und es wird was ganz Neues gestrickt. Kein Stein bleibt auf dem anderen. Das bedeutet für uns als JuristInnen, dass wir von Anfang an etwas Neues erlernen müssen. Und gleichzeitig auch das Alte, das wir uns gerade oder in langer Zeit so mühsam ins Hirn gehämmert haben, dass wir das auch in die Schublade stecken müssen.
Dass wir nicht es dann hervorholen, wenn es gar nicht mehr passt. Es ist ein ausrangiertes Werkzeugmodell und das muss man alles dann im Kopf haben. So schnelllebig ist wahrscheinlich keine andere Wissenschaft. Die Informatik nehme ich mal außen vor, die ist noch viel schnelllebiger.
Aber da ist dir das bewusst, wenn du InformatikerIn wirst. Du weißt, du bist am Puls der Zeit. Du wirst ständig etwas Neues erlernen und dir erarbeiten. Und das ist zum großen Teil dann meistens ja auch die Faszination.
Und verstehe mich nicht falsch, auch für Jünger ist das bis zu einem gewissen Grad eine Faszination. Das hält einen jung und fit im Hirn. Die Kehrseite ist aber, es nimmt kein Ende. Du kannst in Jura so gut wie nie irgendwann sagen, weißt du was, jetzt bin ich eine gestandene Wissenschaftlerin oder ein gestandener Wissenschaftler oder du bist in der Anwendung, es ist egal.
Also sprechen wir mal neutraler. Ich bin gestandene oder gestandener Jurist und jetzt bin ich relativ safe. Und die paar neuen Dinge, die mal kommen, okay, die werde ich mal berücksichtigen. Aber je nun.
Nein, du kannst 20, 30, 40, ja gut 40 Jahre, doch 40 Jahre kannst du im Geschäft sein. Und trotzdem kommt etwas Neues, du musst alles neu erlernen. Vielleicht hast du auch nicht mitgekriegt, dass ein neues Gesetz gekommen ist. Und du kannst Böcke schießen, die passen durch keine Tür durch.
Und das, ich sage es ganz offen, das finde ich immer wieder mal frustrierend und zermürbend. Will ich dir jetzt damit Juramadik machen? Ganz sicherlich nicht. Ich will dir nur bewusst machen, dass es durchaus eine Seite von Jura ist.
Und wenn du mit dieser Seite überhaupt nicht klarkommst, dann ist es wirklich die Zeit zu überdenken, ob Jura das Beste ist für dich oder auch innerhalb von Jura, auf welchen Aspekt du dich spezialisieren wirst. Es gibt nun mal Bereiche, die sind schnelllebiger als andere. Und das Sozialrecht ist sehr schnelllebig, in der Kleinanwendung, wenn du Anwalt bist. Und das Zivilrecht ist für alle, die sich damit befassen, sehr, sehr, sehr, sehr schnelllebig.
Strafrecht weniger. Überrechte, wenn man jetzt Sozialrecht rausnimmt, glaube ich auch nicht so ganz schnelllebig. Aber ich würde da einen Vorbehalt machen, weil ich mich damit ja nicht vertieft beschäftige. Und vielleicht geht mir da diese Schnelllebigkeit einfache Sätze in dem Sinne flöten, dass ich sie gar nicht erkenne.
Ganz sicherlich ist es nicht allzu schnelllebig, wenn du dich mit römischem Recht befassen würdest. Und das ist, wie gesagt, etwas nicht falsch verstehen. Nach wie vor liebe ich Jura. Aber wenn ich dann manchmal höre, es ist was Neues raus, was alles andere wirklich über den Kopf wirft, manchmal denke ich, oh wie toll, wie interessant, jo, gucke ich mir an.
Aber manchmal denke ich mir auch, ey, nicht schon wieder, oder? Und das solltest du einfach wissen. Und das bedeutet schon mal gar nicht, dass Jura zu verwerfen ist. Auf keinen Fall.
Aber es ist ein Teil der Sache, auf die du dich dann einlässt. Und ähnlich wie kein Mensch nur Charaktermerkmale hat, die dich faszinieren und die Kunst besteht darin, auch mit denen zu leben und die hinzunehmen, die nicht so, man denkt, ach wie toll, dass mein Partner oder meine Partnerin diese Eigenschaft hat. Ähnlich ist das für Jura. Auch hier gehst du eine Partnerschaft meistens fürs Leben ein.
Und da gibt es schöne Aspekte und weniger schöne Aspekte. Und ein gleichzeitig faszinierender Aspekt, weil am Puls der Zeit ist dieses immer wieder nicht nur Evolution, sondern Revolution. Dieser Aspekt ist aber immer wieder auch völlig zermürbend. Und das ist am meisten zu berücksichtigen für diejenigen, die Jura sowieso etwas oder sehr mühsam finden.
Und ich meine damit nicht die anfänglichen Schwierigkeiten, bis man kapiert hat, wie der Bereich fasziniert. Aber wenn du das Gefühl hast, aus diesem Stadium kommst du gar nicht mehr raus. Es ist und bleibt mühsam. Und es wird nicht weniger mühsam.
Dann muss ich dir wirklich sagen, dass dich das ein Leben lang begleiten wird, weil du immer wieder Sachen neu erlernen müssen wirst. Wenn das also so ist, dann ist noch mehr die Frage, ob Jura oder der Bereich von Jura, in den du reingehst, der beste ist für dich. Wenn du allerdings nicht dieses sehr akute Mühsamkeitsgefühl hast, dann ist es lediglich ein Punkt, dass du weißt, es wird Phasen geben, da möchtest du Jura am liebsten an die Wand klatschen. Und dann ist es gut, wenn du dich in diesen Phasen immer wieder mal daran erinnerst, warum du denn jetzt überhaupt Jura studierst, was denn dein Grund hierfür ist.
Und das trägt dich dann hoffentlich ein bisschen weiter, obwohl du dann trotzdem im Zweifel, wenn jetzt mal wieder eine zweite Schuldrechtsmodernisierung oder so ähnlich kommen sollte, du dir dann denkst, oh ne, oder? Das kann jetzt wirklich nicht wahr sein. Okay, ich hoffe, ich habe euch jetzt nicht allzu sehr desillusioniert, oder ich habe euch gar nicht. Doch, desillusioniert ist gut.
Keine Illusionen zu haben, ist ja nicht negativ. Ähnlich wie der Begriff Enttäuschung, den empfinden wir als negativ. Enttäuschung ist eigentlich gut. Man ist nicht mehr getäuscht und man täuscht sich nicht mehr selbst.
Und in einem Aspekt habe ich vielleicht hier dazu beigetragen und trotzdem kann ich dir sagen, dass auch diese neuen Veränderungen immer wieder auch Freude machen. Ich spreche aus gegebenem Anlass, ich kommentiere gerade für den Jurispraxiskommentar etwas zu spät die Neuregelung der Abhilfeklagen im Verbraucherschutz, die Verbandsklagen und den neuen Paragrafen 204. Den gibt es schon seit November, aber nun, ja, auch ich bin manchmal etwas zu spät dran. Also, jetzt Schluss damit.
Das ist eben ein Teil von Jura und das macht diese Wissenschaft gleichzeitig faszinierend, aber manchmal auch zermürbend. In diesem Sinne, lasst uns gar nicht zermürbt in den Tag gehen. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
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