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Jura endlich meisternTeil der Bewegung werden

Wann (nur) sprichst du § 314 BGB im Gutachten an?

Feb 23, 2024Jurawissen

Und warum ist das so?

Beschreibung
Transkript

Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.

Jura Meistern, der Podcast, Episode 172. Heute mal wieder von und mit Panajota Lakkis. Wer hätte das gedacht?

Einen wunderschönen guten Morgen!

Du hast bereits am Intro wahrscheinlich gemerkt, ich bin relativ gut gelaunt und beschwingt. Und das, weil mir endlich etwas klar geworden ist, als ich versuchte, es für Studierende aufzubereiten. Konkret habe ich eine Einheit für den Kurs Hohes Jurarek in meinem Mitgliederbereich vorbereitet und dabei ist mal wieder das passiert, was ich immer wieder faszinierend finde. Du weißt erst, ob du etwas richtig verstanden hast, wenn du es anderen erklären kannst, am besten sogar anderen, die keine Vorkenntnisse haben.

Das gilt jetzt für den Kurs Hohes Jurarek nicht, da sind wir im Bereich Examensvorbereitungsniveau, aber selbst da liegt die Kunst darin, die Dinge so zu erklären, dass sie absolut einleuchtend erscheinen und dass sie so verstanden werden, dass sie nicht auswendig gelernt werden müssen. Das fällt mir immer wieder auf, ich habe immer wieder erkannt, wie sehr mir die Lehre darin hilft, Dinge selber zu verstehen in ihren Zusammenhängen. Später habe ich dann rausgefunden, dass man das die Feinmanntechnik nennt. Ich habe dazu eine Podcast-Folge schon mal gedreht, auf die ich immer wieder verweise.

Sie hat Tante Gertrude im Titel, Tante Gertrude und der Nobelpreisträger so ungefähr, weil Feinmann ein Nobelpreisträger, ich glaube, in Physik war. Und der hat gesagt, du hast das erst dann verstanden, wenn du es einem Kind erklären kannst. Okay, was habe ich denn jetzt verstanden? Ich habe endlich verstanden, dass Verhältnis von Paragraf 314 die allgemeine Möglichkeit der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen und Kündigungsmöglichkeiten aus Spezialrechtsgebieten und ich habe das am Beispiel des Mietrechts und des Dienstvertragsrechts gemacht.

Und hier wäre die einfache Lösung zu sagen, verdrängend, soweit die Spezialvorschriften, verdrängend die Allgemeinvorschrift, soweit sie eben abschließend sind. Aber das wäre nur die einfache Möglichkeit, denn mir ist aufgefallen, dass in gerichtlichen Entscheidungen immer wieder doch diskutiert wird darüber, ob der 314 nicht auch noch anwendbar sein könnte, neben einer Spezialkündigungsmöglichkeit und manchmal wird er überhaupt nicht erwähnt. Und da habe ich mich gefragt, warum ist das denn so? Und jetzt noch einmal die vermeintlich einfache Möglichkeit wäre auch jetzt zu sagen, okay, ich werde jetzt auswendig lernen, in welchen Fällen das angesprochen wird und in welchen nicht.

Im Zweifel könnte ich das aber nicht so gut behalten, weil ich eben auf mein Gedächtnis angewiesen wäre. Und deswegen und um euch zu erklären, warum man manchmal die Sache anspricht und manchmal eben nicht, habe ich mir dann vorgenommen, den 314 und dann auch stellvertretend für die andere Möglichkeiten die Kündigung aus wichtigem Grund im Mietrecht 543 bei Wohnraum zusammen mit 569 und im Dienstvertragsrecht den 626. Und da habe ich mir gedacht, dass ich mir die Einzelelemente anschaue, inwiefern sie überhaupt zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Denn wenn nicht, dann brauche ich nicht eine Spezialvorschrift, nee umgekehrt, brauche ich nicht die Allgemeinvorschrift neben der vorhandenen Spezialvorschrift zu bemühen, sondern kann einfach meine Spezialvorschrift nehmen und dann dem Grundsatz folgen, dass die Spezialvorschrift, die Allgemeinvorschrift verdrängt.

Aber eben mal schauen, ob das in allen Elementen gilt. Was für Elemente haben Vorschriften? Sie haben Tatbestandsvoraussetzungen und sie haben Rechtsfolgen. Und als erstes habe ich mir die Rechtsfolge angeschaut.

Ist die Rechtsfolge irgendwie anders des 314 als beim 543 und beim 626? Nein, ist sie nicht. Beides Male, beide Male Kündigung ohne Fristsetzungserfordernis. Okay, wie sieht es denn dann aus mit den Tatbestandsvoraussetzungen?

Und die allererste, das Vorliegen des wichtigen Grundes, auch das ist mir aufgefallen mit der Formulierung, die zum Teil leicht unterschiedlich war, aber dass die alle auf dasselbe zurückkommen, nämlich Unzumutbarkeit. Und bei Unzumutbarkeit des Fortbestandes des entweder Mietverhältnisses oder des Dienstvertragsverhältnisses eben die Möglichkeit der Kündigung. Und bei der allgemeinen Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund ebenfalls. Da allgemein das Dauerschuldverhältnis.

Dann, wenn es ein wichtiger Grund liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Interessen, der beiderseitigen Interessen und aller Elemente des Einzelfalles es eben als unzumutbar erscheint, dass man zuwartet länger, bis das Dauerschuldverhältnis entweder endet oder aber eine Frist verstreicht. Okay, wenn das also gleich ist, dann besteht auch diesbezüglich kein Grund, eine Anwendbarkeit einer allgemeinen Vorschrift noch einmal aus dem allgemeinen Schuldrecht in Betracht zu ziehen. Okay, gibt es denn noch eine Voraussetzung? Es gibt zum Teil tatsächlich eine Voraussetzung, die nicht bei allen dreien Kündigungsregelungen vorhanden ist, nämlich, dass erst die Möglichkeit einer Abhilfe mit einer angemessenen Frist gesetzt werden soll.

Und dieses haben wir so nur im 314 und im 543. Abhilfe etwas zu tun, Frist oder Abmahnung, höre auf etwas zu tun. Okay, im 626 haben wir es nicht. Jetzt also lohnt es sich, wenn in meinem Sachverhalt drin stünde, dass keine Möglichkeit, erstens, dass wir eine Pflichtverletzung haben, nur dann geht es um die Abhilfemöglichkeit.

Der wichtige Grund besteht in einer Pflichtverletzung des Adressaten der Kündigung. Nur dann, wenn ich eine solche Konstellation habe, ist es unterschiedlich, unter Umständen, je nachdem, ob ich den 314 auch ranziehe. Denn dann hätte ich eine Zusatzvoraussetzung und das habe ich eben im 626 nicht. Und siehe da, hier ist es einhellige Meinung, dass eine solche Abmahnung oder Abhilfefrist gesetzt werden muss.

Abmahnung erklärt werden muss oder Abhilfefrist gesetzt werden muss. Aber auch hier natürlich, sofern zumutbar, sofern sie etwas bringen könnte. Und jetzt, und nur jetzt, ist es also sinnvoll, darüber zu sprechen, ob wir den 314 auch anwenden. Wenn in meinem Sachverhalt nichts drinsteht oder wenn eine Frist gesetzt wurde, obwohl der 626 sie nicht fordert, dann bringt mir der 314 nichts weiter.

Und wenn er mir nichts weiterbringt, dann brauche ich ihn nicht ranzuziehen. Dann habe ich bereits mit meiner Spezialvorschrift alles, was mir auch die Allgemeinvorschrift bringen könnte. Okay, also im Mietvertrag, wo ich eine Regelung habe über diese Abhilfefrist oder die Abmahnung, da spreche ich den 314 nicht an, weil er mir nicht mehr bringt. Und im Dienstvertragsrecht spreche ich ihn an, aber nur, wenn es einen Unterschied geben könnte in der Lösung.

Nämlich in diesem Fall, dass eben eine Frist nicht gesetzt wurde oder eine Abmahnung nicht erklärt wurde und gleichzeitig der wichtige Grund eine Pflichtverletzung ist. Okay, das ist also einer der Fälle, wo es sich lohnt, tatsächlich auch den 314 anzusprechen. Ist es der einzige? Gucken wir uns mal die Vorschriften nochmal an und da sehen wir beim 314, dass da auch im Absatz 3 etwas drinsteht, was im 543 nicht drinsteht.

Jetzt umgekehrt, aber im 626 durchaus. Nämlich, dass eine Frist verstreichen muss, zwischen Kenntnis des wichtigen Grundes und Erklärung. Im 626 haben wir zwei Wochen, im 314 die Frist muss angemessen sein. Im 543 steht da gar nichts dazu.

Okay, was bedeutet das für mich, wenn ich eine Klausur schreibe? Habe ich einen Dienstvertrag und habe ich eine Frist gesetzt? Auch wenn nicht, umgekehrt, habe ich einen Dienstvertrag? Da habe ich eine ganz spezielle Vorschrift dazu, wie viele Tage oder Wochen verstreichen müssen bis zur Erklärung der Kündigung und das ist eindeutig eine lex specialis, denn 314 darf ich nicht heranziehen.

Habe ich aber einen Mietvertrag, dann steht da nichts drin und dann lohnt es sich, zu diskutieren, ob der 314 Absatz 3 flankierend anzuwenden ist. Und jetzt wird es dich sicherlich eher überraschen, dass obwohl man in der Frage der Abmahnung beim 626 sagt, selbstverständlich musst du das zuerst machen, man dies im Hinblick auf die Erklärungsfrist beim Mietvertrag nicht tut. Da stellt sich der BGH auf die Hinterfüße und sagt, die Regelung der mietvertraglichen Kündigung aus wichtigem Grunde ist abschließend und es findet nicht der 314 Absatz 3 Anwendung. Und damit komme ich zu der zweiten Erkenntnis, die ich immer wieder auch habe, die macht meine Laune in der Regel nicht besser.

Diese Erkenntnis lautet nämlich, dass da oben der BGH, die Lehre und was auch immer, Inkonsequenzen sich leisten können, die du dir im Gutachten in der Regel nicht leisten kannst, weil dir eine Prüferin oder ein Prüfer daneben schreiben würde, inkonsequent. Gut, meistens kann man das hinbiegen und auch hier wird zum Teil deswegen safe ist man, wenn man beim 626 keinen Rekurs nimmt auf den 314, sondern sagt, es ist ein allgemeiner, ungeschriebener Grundsatz, den man auch, dass man erst dem anderen eine Chance geben muss, die Sache wieder sozusagen gut zu machen und dass dieser ungeschriebene Grundsatz nicht in der Anwendung des 314 besteht, sondern ein ungeschriebener Grundsatz aus Treu und Glauben ist. Und hier siehst du auch, wie plastisch die juristische Argumentation ist. Jura ist eine wertende und keine exakte Wissenschaft.

Und das bedeutet, dass manchmal auch Inkonsequenzen oder vermeintliche Inkonsequenzen, weil man sagt, hier sieht die Sache doch ein bisschen anders aus. Ich kann dir verraten, ich selber finde es falsch, dass der 314 Absatz 3 im Mietrecht nicht angewandt wird. Ich finde es nicht korrekt, ich bin damit aber in der Minderzahl und auch da ist es so, dass ich dann, ist die Frage, ob ich nur um konsequent immer zu sagen, wann der 314 neben der Spezialregelung anwendbar ist, ob ich deswegen nur anpassen sollte meine Antwort im Mietrecht. Man kann drüber streiten, man streitet drüber.

Hier ging es mir nicht darum, dass du insgesamt jetzt auswendig lernst, an welcher Stelle der BGH das eine sagt, an welcher Stelle er das andere sagt. Es geht mir darum, dass du erstens erkennst, dass in einer wertenden Wissenschaft sehr oft unterschiedliche Ergebnisse möglich sind. Das siehst du schon daran, dass es oft unterschiedliche Meinungen gibt. Und man kann selten sagen, das ist die richtige Meinung und wer etwas anderes vertritt, der hat es nicht gerafft oder der ist noch schlimmer irgendwie ein Idiot oder was auch immer.

So ist es nicht. Sehr oft ist es nur so, dass man sogar selber sagt, ich könnte es so oder so sehen und letztlich muss ich mich irgendwie entscheiden und ich entscheide mich für so. Manchmal finde ich auch, dass die besseren Gründe sprechen für etwas, aber manchmal sage ich mir wirklich, eigentlich könnte ich beides. Ich kann hier Argumente für beides finden und ich kann dir nicht sagen, welches überwiegt in dem Sinne.

Und das ist der juristischen Wissenschaft immanent. Das macht auch die Faszination aus, aber manchmal auch den Frust, insbesondere für dich als Studierender oder Studierende. Denn es ist nun mal so, dass du dir sagst, was ist denn jetzt, wenn ich etwas anderes sage, was die Lösungsskizze sagt. Ich möchte dich beruhigen, in der Regel nicht immer, aber so gut wie immer werden die PrüferInnen auch vertretbare andere Meinungen als richtig ansehen und schon die Lösungsvorschläge des Prüfungsamtes werden das drin so haben.

Sehr oft steht drin, andere Ansicht mit guter Argumentation vertretbar oder sogar ohne das mit guter Argumentation bei Sachen, wo man wirklich nicht sagen kann, das ist das Richtige. Also das war die erste Erkenntnis. Im Jura ist es oft inkonsequent oder erscheint inkonsequent und das ist etwas, was du nicht immer wirst nachvollziehen können. Oft wirst du nach reiflicher Überlegung dann sagen, ach ja, jetzt sehe ich das genauso wie der BGH.

Manchmal wirst du aber sagen, sehe ich anders. Und dann ist die Frage, ob du jetzt dann diese Richtung dann selber gehst oder ob nicht. Ich denke, dazu sollte ich noch einmal eine getrennte Podcast-Folge machen, vielleicht sogar die kommende, da muss ich schauen. Also erstens, es gibt oft Inkonsequenzen und manchmal welche, die du auch, egal wie du es drehst und wendest, so siehst.

Die gute Nachricht ist, wenn du es erst mal erkannt hast, dass es eine Inkonsequenz ist, weil du hinterfragt hast, genau warum jetzt das alles und worum es hier geht, wie ich immer sage. Wenn du also, wie ich dir so sauber vorgenommen habe, das Verhältnis 314 zu 543 und zu 626, dann hast du so bewusst und so plastisch die Inkonsequenz erkannt, dass du sie auch im Zweifel nicht einmal vergessen wirst. Du wirst es noch im Kopf haben, im Zweifel, nicht, dass es erforderlich ist, aber vermutlich wirst du es im Kopf haben, weil es dir so glasklar aufgefallen sein wird. Wenn ich dir stattdessen aber nur sage, in diesem Fall sagt der BGH das, in diesem Fall sagt er das und ich nicht drauf rumreite, dass es eine Inkonsequenz sein könnte und warum.

Wenn wir das also nicht genau so verstehen, dann wird es dir vermutlich links rein und rechts wieder raus und noch schlimmer unter Umständen wirst du dich dann später irgendwann fragen, Momentchen mal, das kann doch nicht sein und du wirst an deinem eigenen Verstand zweifeln, wenn du jetzt dich erinnerst an beide Punkte, aber den einen eben so und den anderen so, dann jeweils löst im Verhältnis auf die Spezialität. Also mal wieder ein Plädoyer dafür, sich die Zeit zu nehmen, zu verstehen, worum es geht und das zweite Plädoyer dafür, versuch es anderen zu erklären. Versuch zum Beispiel diese Podcastfolge zu erklären in einer Lerngruppe, wenn du eine solche hast und deine GruppenteilnehmerInnen nicht diesen Podcast hören. Ich weiß zwar nicht, warum man nicht diesen Podcast hören würde, ich mache Witze.

Es gibt natürlich tausend Gründe. Das ist hochsubjektiv, die Chemie muss stimmen, das ist in jeder Wissensvermittlung so, aber Witze beiseite jetzt. Versuche doch das Ganze zu erklären. Versuche auch zu erklären, nicht nur den Mechanismus, sondern wirklich ad hoc das Verhältnis 314 zu 543 und zu 626 und in welchen Punkten es anzusprechen ist im Gutachten und mit welchem Ergebnis.

Okidoki, in diesem Sinne, danke fürs Zuhören. Du hast Panajota Lakkis zugehört von Jura Meistern und ich sage mal bis nächste Woche. Ciao, ciao!

🧐 Wie denkst du über das Thema, was sind deine Erfahrungen?

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🤫 Geheimtipp: Auf Notion habe ich einen juristischen Second Brain aufgestellt, den ich dir gern zur Verfügung stelle. Hier findest du Querverweise zwischen den Podcastfolgen nach Lust und Laune, aber auch die Querverbindungen zwischen den Themen, die ich im kostenpflichtigen Mitgliederbereich bereitstelle. Gern geschehen 😘!

 

Dr. iur. habil. Panajota Lakkis

Ehemalige Universitätsprofessorin & Prüferin. Ergo weiß ich genau, was du brauchst in deinem Jurastudium. In meinen Kursen lernst du, Jura zu verstehen. Im Podcast (Standorte im Player) und auch auf YouTube kannst du nach Lust und Laune stöbern. Du kannst auch mehr über mich erfahren. Oder ab und zu eine Mail mit juristischen und jurafreien Goodies erhalten.

Mein aktuelles Motto: Was wäre, wenn?

Meine Überzeugung: Jura macht ab dem Moment Freude, in dem du die Zusammenhänge verstehst.

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