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„Tun Sie doch so, als hätten Sie ein Thema!“

von Jan 21, 2022Lernen & Vorbereiten

Was tun, wenn du nicht weiterkommst, egal was du tust?

Ob du – wie ich damals – ein Habilitationsthema suchst oder einen Lernplan machen willst: Manchmal findest du keine Antwort oder Lösung, egal wie lange und wie intensiv du suchst.

Jetzt hast du zwei Möglichkeiten:

1. Aufzugeben (bitte nicht!)

2. Oder aber Trick Nr. 17 anzuwenden – der funktioniert nämlich!

Tu doch einfach so, als ob du wüsstest, was zu tun ist, pick dir einfach EINE Möglichkeit raus und fang an.

Transkript

Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.

Einen wunderschönen guten Morgen! Ich habe es letzte Woche schon angekündigt. Heute geht es darum, was kannst du tun, wenn alle Stricke reißen und wenn alle Planungstools und Tipps und Tricks, die ich dir in den nächsten Wochen verraten werde, wenn die nicht funktionieren sollten.

Und das haben wir an der konkreten Frage herausgearbeitet. Was sollte ich denn lernen? Einen Plan machen im Hinblick auf das Lernen.

Was, wann, wo und wie. Und ursprünglich hatte ich gedacht, ich werde dir erst über mehrere Wochen Tools immer vorstellen und Vor- und Nachteile und wie man damit umgeht und ein paar Tricks. Und zum Schluss würde ich dann sagen, wenn du trotzdem nichts findest, gibt es immer noch den einen Magic-Trick sozusagen.

Und Stante Pede, während ich den Podcast gesprochen habe letzte Woche, habe ich mich entschieden, das anders zu machen und diesen letzten Magic-Trick nicht als letzten, sondern als ersten zu bringen. Warum? Damit ich dir einen Teil vom Stress nehme.

Damit du weißt, dass natürlich am besten die Tricks und die Tipps und die Tools, die ich dir verraten werde und die wir besprechen werden, dich zu einem guten Plan führen werden. Aber dass du selbst dann, wenn keins davon zu funktionieren scheint, trotzdem weiterkommen kannst. Und das werde ich am lebenden Beispiel an mir durchexerzieren bei der Frage, als ich ums Verrecken kein Habilitationsthema gefunden habe und schon fast so weit war, alles aufzugeben.

Und der Grund, dass ich das nicht getan habe, war ein Satz, den jemand zu mir gesagt hat, und zwar der Satz «Tun Sie doch so, als hätten Sie ein Thema! » Was es näher damit auf sich hat, damit werden wir uns in dieser Podcast-Folge befassen.

Ich bin Panajota Lakkis, ehemalige Universitätsprofessorin und passionierte Juristin.

So, ich bin also ein paar mehrere Jahre jünger. Ich bin in Bonn. Ich bin angenommen worden als Habilitandin durch die Fakultät.

Mein Betreuer ist einer der damals und immer noch bei den Prozessualisten bekanntesten Namen im Bereich Zivilverfahrensrecht, nämlich Hans Friedhelm Gaul, schon seit längerem emeritiert, über 90 Jahre alt und schreibt immer noch, wissenschaftlich übrigens, publiziert. Und der war insofern von der alten Schule, als er ein Purist war, der gesagt hat, ein Teil der Leistung ist, das Thema zu finden. Das heißt, er hat mir nicht nur kein Thema gegeben, sondern er hat mich nicht einmal in dem Sinne unterstützt, indem er gesagt hat, ja, in diesem Bereich könntest du, könnten Sie mal gucken oder und so weiter und so fort.

Sprich, ich war auf mich gestellt. Die einzige Vorgabe, die ich von ihm hatte, war, es sollte eine Habilitationsschrift der alten Schule werden. Keine, die ein tieferes Lehrbuch ist, sondern eine, die vorne eine Frage aufwirft und dann vier bis 500 Seiten weiter hinten sagt, das, was ich beweisen wollte, das habe ich hiermit bewiesen.

Oha, okay, such jetzt. Ja, wie suche ich, wenn ich dieses Thema hier suche ich, wenn ich gar nicht mal weiß, wonach ich suche? Ich suche nach einem Thema, ja, das wusste ich.

Aber wo suche ich und wie suche ich in dem Sinne? Habe ich gedacht, okay, Schritt Nummer eins, wir schauen uns alle neuen Entscheidungen an und neuen Aufsätze, die ganzen Zeitschriften, die am Lehrstuhl im Sternumlauf sind. Ich saß spätestens um 8 Uhr morgens am Schreibtisch, voll motiviert, habe dann aber irgendwann alles durchgehabt und ich hatte noch keine Erleuchtung.

Und dann hatte ich nochmal das Jahr davor mir durchgelesen, immer noch keine Erleuchtung. Und ich weiß gar nicht mal im Nachhinein, wie lange das war, aber auf einmal, irgendwann ging das lange genug, dass es für mich richtig frustrierend war. Ich war willig, ich war motiviert, ich wusste aber nicht wie und ich habe gesucht nach einer Heunadel, von der ich nicht mal wusste, wie sie aussieht.

Such ein Thema, ja gut, nirgendwo findest du etwas, wo draufsteht ein Stempel, Habilitationsthema und auch noch von dieser alten dogmatischen Art halt. Und bei uns am Lehrstuhl war damals auch Professor Reif unten, der mittlerweile Lehrstuhlinhaber ist in Trier. Damals war er relativ jung und auch sowohl vom Alter her als auch vom Anfang seiner Karriere, das war ich glaube seine erste Professur gewesen.

Und vielleicht war das der Grund, dass ich mich eher mal getraut habe, mal meine Verzweiflung zu äußern. Es kam Post fehlgeleitet bei uns oben rein und ich habe sie runtergebracht und da meinte er, ja wie geht es Ihnen denn halt und da haben wir ein bisschen geplaudert und ich habe mich getraut wirklich zu sagen, ich bin nah am Verzweifeln, ich kann nicht mehr. Ich lese, ich lese, ich denke nach und ich finde nichts und ich sehe auch nicht, wie ich morgen was finden könnte, denn ich lese mehr oder minder planlos vor mich hin.

Ich suche etwas, wovon ich gar nicht weiß, was es genau ist. Was ist denn so ein Thema, wie sieht ein Thema aus und wie suchst du, wie gesagt, wenn du gar nicht weißt, was du genau suchst. Und da hat er mich angeschaut und hat gesagt, also bitte nehmen Sie das jetzt nicht verkehrt, was ich Ihnen sage, aber manchmal habe ich auch, ich will sie nicht vergleichen mit Doktoranden, als ob das jetzt, als ob man was besseres wäre, wenn man das Habil-Thema sucht als ein Promotions-Thema.

Aber es war halt sehr freundlich und rücksichtsvoll, wie er es gesagt hat. Er hat gesagt, ich will das jetzt nicht kleinreden, aber wenn einer meiner Doktoranden sagte, so nicht weiterkommt, dann sage ich ihm, tun Sie doch einfach so, als hätten Sie ein Thema. Das war der Satz, tun Sie doch einfach so, als hätten Sie ein Thema.

Und dann bin ich, also erst mal, ich war, erst mal habe ich gedacht, so, okay, gut, danke für die Info. Und dann ging ich rauf an den Lehrstuhl und saß am Schreibtisch und habe ein bisschen nachgedacht über das Gespräch. Und da habe ich mir gedacht, ist eigentlich ein relativ schräger Vorschlag.

Tun Sie doch so, als hätten Sie ein Thema. Wie soll das denn funktionieren? Und dann habe ich mir gedacht, Moment, was ich bisher getan habe, hat ja auch nicht funktioniert.

Und niemand anders hat mir irgendwas anderes Konkretes gesagt. Was habe ich also zu verlieren, wenn ich es ausprobiere? Und dann habe ich gedacht, okay, wie tue ich denn so, als würde ich ein Thema haben?

Und dann habe ich gedacht, okay, ich mache ein Word-Dokument auf und ich benenne das schon mal. Und ich gebe dem Ganzen einen Titel. Und da habe ich gedacht, okay, also irgendwo, ich kann ja nicht anfangen, so nach dem Motto, das wäre ein schöner Roman.

Wenn man anfangen würde, halt, ich habe gar keinen Titel für den Roman und daraus würde dann letztlich der Roman werden oder das Sachbuch. Das heißt, ich muss mir irgendwas rauspicken. Ähnlich wie, wenn ihr euch letzte Woche erinnern könnt, wo ich gesagt habe, ähnlich wie wenn du nicht weißt, wohin denn den Urlaub und du weißt, Deutschland soll es werden, ist es oft keine schlechte Idee.

Augen zu, Karte von Deutschland vor dir, Finger drauf. Und da habe ich mir gedacht, okay, ich nehme irgendeinen Bereich. Ich wusste, es sollte sein im Bereich Verfahrensrecht, Zivilverfahrensrecht.

Und da habe ich mich erinnert, da habe ich gedacht, habe ich irgendwie eine Erinnerung, in welchen Bereichen da ein Problem sein könnte. Und da habe ich mir gedacht, Moment, ich kann mich erinnern, meine damalige Professorin in Griechenland, die hatte gesagt, dass die internationale Zwangsvollstreckung so ziemlich unbeackert ist. Und da habe ich mir gedacht, okay, Bingo Chaka, wie man das auch nennt, der Titel dieses Werkes ist die internationale Zwangsvollstreckung.

Und jetzt fangen wir an zu schreiben. Und zum Glück bin ich nicht alt genug, als dass es nicht damals schon Computer und Word gab. Das heißt, ich wusste, ich kann munter drauf losschreiben und wenn ich dann alles dann lösche, ist auch kein Problem.

Und dann habe ich mir gedacht, okay, wir fangen also an, als wäre es eine Seminararbeit. Und ich fange erst an mit Darstellen. Ich habe null Ahnung, was für eine These jetzt hier rauskommen würde, aber ich fange an zu schreiben, was ich weiß, wie wenn ich eine Vorlesung halten würde in dem Sinne über die internationale Zwangsvollstreckung und ihre Herausforderungen, in der Hoffnung, dass mir irgendwann dann irgendwas auffällt, aus dem eine These wird.

Und dann fing ich an und dachte, okay, internationale Zwangsvollstreckung braucht einen Titel, einen Vollstreckungstitel. Das ist in der Regel ein Urteil. Okay, international heißt grenzüberschreitender Rechtsverkehr, das heißt, ein ausländisches Titel soll im Inland vollstreckt werden.

Okay, ich hatte keine Ahnung davon. Und dann haben wir gedacht, okay, dann gucken wir uns als nächstes an, wie werden denn ausländische Urteile im Inland behandelt? Stichwort Anerkennung.

Und da habe ich gesehen, fing ich an zu lesen, aber nicht nur zu lesen, sondern schon zu schreiben. Und dann habe ich gesehen, okay, das kommt auf die sogenannte Urteilswirkung an. Und da haben wir Rechtskraftwirkung, wir haben die Gestaltungswirkung, wir haben die Tatbestandswirkung.

Und hier, Moment, Rechtskraftwirkung, Anerkennung, Gestaltungswirkung, Ärger, Omnis und Direkt. Und was ist denn der Unterschied von den beiden, verstehe ich nicht. Und dann habe ich mir gedacht, wenn du den Unterschied Gestaltungswirkung zur Rechtskraftwirkung nicht verstehst im internationalen Kontext, wie wäre es, wenn du dir erstmal reinschaust, wie wir die beiden Dinge trennen im nationalen Recht, nach deutscher ZPO.

Tja, und damit habe ich mein Thema gefunden. Ich habe meine These gefunden, dass ich gesagt habe, dass die Gestaltungswirkung nichts anderes ist als eine Ausprägung der materiellen Rechtskraft. Und das habe ich dann entwickelt, und zwar im ersten Teil nach deutschem Recht und im zweiten Teil im internationalen, insbesondere europäischen Kontext.

Und weil ich wiederum dann mir gedacht habe, Mensch, Titel können nicht Urteile sein, habe ich das noch ausgeweitet auf andere Hochheitsakte. Und der Titel der Habilitationsschrift war dann Gestaltungsakte im internationalen Rechtsverkehr, Untertitel zur prozessualen Bindung an in- und ausländische privatrechtsgestaltende Urteile und andere privatrechtsgestaltende Hochheitsakte. Was hat das mit der Zwangsvollstreckung zu tun?

Gar nichts. Also nur am äußersten Rande, weil Vollstreckungsakte auch privatrechtsgestaltend sein können. Aber nie wäre ich zu diesem Thema gekommen, wenn ich nicht den Rat damals von Professor Reif befolgt hätte, so getan hätte als ob.

Ich habe gesagt, mein Thema ist die internationale Zwangsvollstreckung. Daraus ist geworden Gestaltungsakte im internationalen Rechtsverkehr. Und das ist ein Trick, den du immer dann anwenden kannst, wenn du partout keine Antwort findest, wenn du partout nicht planen kannst, wenn du partout nicht weißt, was sinnvoll ist als erstes zu lernen, dann pick dir irgendetwas raus und tu so, als wäre das ein guter Plan.

In allen Bereichen gilt das übrigens, das gilt. Es gibt einen Trick, den ich später, das ist interessant, irgendwo in einer, ich weiß gar nicht wie viele Bände an Persönlichkeitsentwicklung und Behavioral Economics und hier und da die letzten Jahre gelesen habe, irgendwo war da auch ein solcher Trick drin im Hinblick auf Entscheidungsfindung. Wenn du dich etwas fragst und du weißt nicht, dann musst du die Frage verändern, denn offensichtlich mit der alten Frage kommst du so nicht weiter.

Und einer der Tricks ist zum Beispiel, wenn du sagst, ich weiß es nicht. Was sollte ich tun? Ich weiß es nicht.

Was würde ich tun, wenn ich wüsste, was zu tun ist? Das ist nicht ganz der gleiche, weil das halt ein bisschen schon suggeriert, dass man im Hinterkopf vielleicht doch weiß, nur blockiert ist, aber die Mechanismen sind ähnlich. Erstmal dann eine Zeit lang irgendwas rauszupicken und aus dem entwickelt sich dann tatsächlich eine gute Sache.

Und wenn es weiß, dass man dann irgendwann erkennt, was nicht und nicht richtig funktioniert. Aber an meinem Beispiel siehst du, du kommst vom einen zum anderen und irgendwann siehst du so klar, wie du nie in einer Trockenübung im Kopf das hättest finden können. Nie im Leben.

In Fernöstlich verbalisiert, dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße. Und du findest das Ziel nur, indem du gehst. Nicht indem du sitzt und nachdenkst.

Nichts gegen Ausdenken, Nachdenken, nichts gegen Visualisieren, aber hier geht es uns spezifisch um Situationen, in denen du das Gefühl hast, ich habe keine Antwort, ich finde keinen Plan, ich weiß nicht was. Dann tu so, als hättest du einen Plan, lege ihn fest. Ähnlich wie ich damals gesagt habe, okay, sozusagen, ähnlich wie eine Taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Du habil Schrift heißt jetzt internationale Zwangsvollstreckung. Ähnlich kannst du es auch machen, ich weiß partout nicht, was ich als nächstes lernen sollte. Oder soll ich zum Repetitor, soll ich nicht zum Repetitor, was soll ich tun?

Dann sagst du dir irgendwann, okay, wenn meine Entscheidungstools nicht funktionieren, dann tue ich so, als hätte ich eine Antwort, ich tue so, als hätte ich einen Plan. Und wenn du dich darin unterstützen willst, auch ein bisschen, was sollte denn das sein, wo ich tue, als wäre es das? Wenn es nicht nur, manchmal geht es nicht anders, als dass es völlig losgelöst ist, Finger irgendwo drauf.

Aber selbst da hast du dir gedacht, okay, ich mache die Deutschlandkarte davor. Ein bisschen, wenn du es eingrenzen willst, kannst du dich fragen, was würde ich lernen, wenn ich wüsste, was am sinnvollsten zu lernen ist. Und das ist, das hört sich so schräg an, aber es funktioniert.

Oft stellen wir unserem Hirn einfach nur die falschen Fragen. Und ich hoffe euch, wie gesagt, damit ein bisschen zum einen zum Schmunzeln gebracht zu haben, wie tatsächlich auch so eine Habilitationsschrift entstehen kann, im Hinblick auf die Themenfindung, aber auch insgesamt, dass ich dir gezeigt habe, dass auch dann, wenn alle Stricke reißen, es einen sehr, sehr funktionierenden Plan gibt, nämlich einfach etwas festzulegen und es richtig anzupacken. Okay, in diesem Sinne, und da wir uns jetzt abgesichert haben, werden wir uns ab der nächsten Woche eher damit befassen, wie man einen guten Plan macht, so dass man gar nicht das Bedürfnis hat, sozusagen diese Notlösung herauszukramen.

Aber ich finde es immer gut und beruhigend zu wissen, dass es eine solche Notlösung gibt. In diesem Sinne, bis nächste Woche!

Dr. iur. habil. Panajota Lakkis

Ehemalige Universitätsprofessorin & Prüferin. Ergo weiß ich genau, was du brauchst in deinem Jurastudium. In meinen Kursen lernst du, Jura zu verstehen. Im Podcast (Standorte im Player) und auch auf YouTube kannst du nach Lust und Laune stöbern. Du kannst auch mehr über mich erfahren. Oder ab und zu eine Mail mit juristischen und jurafreien Goodies erhalten.

Mein aktuelles Motto: Was wäre, wenn?

Meine Überzeugung: Jura macht ab dem Moment Freude macht, in dem du die Zusammenhänge verstehst.

Vielleicht kann ich dir helfen, (wieder) Freude an Jura zu finden?