Wie, Gesetztestexte zu – echt jetzt?
Alles zu seiner Zeit!
Warum und in welchem Stadium es sinnvoll ist, die Gesetzestexte zuzuklappen und deinen gesunden Menschenverstand einzuschalten.
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Transkript
Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.
Jura Meistern, der Podcast, Episode 159.
Einen wunderschönen guten Morgen! Heute will ich über etwas reden, was dir helfen könnte, Recht zu verstehen und damit auch zu lernen.
Und du wirst dich vielleicht wundern, dass ich damit anfange, dass ich sage, Gesetzestexte zu. Das wundert dich sicherlich zu Recht, denn du hast bestimmt oft auch gehört, ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, arbeite immer nah am Gesetz. Und das stimmt auf jeden Fall, wenn du bereits beim Stadium der Klausurlösung bist.
Beim Lernen aber ist es sinnvoll, vorgelagert zu verstehen, worum es geht. Und dieses, worum es geht, ist das, was wir in etwas eleganter und technischer die Interessenlage nennen. Was steht hier auf dem Spiel?
Und das Recht regelt das Zusammenspiel innerhalb einer Gesellschaft und es sind immer mindestens zwei Interessen betroffen. Im Kaufvertrag des Käufers und des Verkäufers, beim Mietrecht des Vermieters und der Mieterin, aber auch im Strafrecht des Täters und des Opfers, im öffentlichen Recht, der Interessen des Bürgers und des Staates und seiner Behörden. Und diesen Clash ist das Recht berufen zu regeln.
Und damit kannst du das Recht nur dann verstehen und die Lösung, die es gemacht hat, wofür es optiert hat, wenn du zuvor die Interessenlage verstanden hast. Wenn du verstanden hast also, worum es geht, wie ich es immer wieder sage. Und so wirst du in meinen Vorlesungen und in meinem Mitgliederbereich oft als erste Lektionen diejenigen sehen, wo ich ohne Gesetz einfach mit dem gesunden Menschenverstand aufschreibe in einer Mindmap, worum es denn hier geht.
Und was es zu regeln gibt, in den Fällen, wo alles glatt läuft, wo wir also, ich nenne das den gesunden zum Beispiel Kaufvertrag, und dann, wo könnte denn alles schief gehen, das wäre dann ein kranker Kaufvertrag, so nenne ich ihn, und was könnte es denn alles für Lösungen dafür geben. Und wenn du diese Interessenlage, ohne bereits zuvor ins Gesetz zu stark geguckt zu haben, selber verstehst, nach deinem gesunden Menschenverstand, dann hast du verstanden, worum es hier geht, welche Interessen es auszutarieren gilt, und dann im Anschluss kannst du dann auch überlegen, vielleicht nochmal eine Stufe, wie könnte man das denn als Gesetzgeberin lösen, und dann guckst du, welche von diesen Lösungen hatten der Gesetzgeber oder die Gesetzgeberin gewählt wirklich. Lass uns mal ein einfaches Beispiel dazu uns anschauen aus dem Bereich des Kaufvertrages.
Du hast etwas gekauft, meinetwegen eine Jeans, und irgendwann hat diese Jeans ein Loch, ein Loch hinten in der Hinternnaht. Und das ist jetzt ein Faktum, eine Jeans mit einem Loch, hättest du dir so nicht gekauft, also einem Loch in der Naht am Hintern, gepflegt am Bein und ausgerissen, das sind die sogenannten teuren Löcher, so kauft man Jeans oft für viel Geld, aber lassen wir das mal. Also du hast heute eine Jeans und da ist die Hinternnaht offen, heute.
Und jetzt ist die Frage, warum ist die offen? Ist die offen, weil ich diese Jeans schon seit 10 Jahren trage und irgendwann ist einfach ihre Zeit gekommen? Ist das, weil sie mit schlechtem Garn vernäht wurde?
Ist das jetzt passiert, weil ich zwischenzeitlich 10 Kilo zugenommen habe und trotzdem mich in die arme Jeans reinzwänge und irgendwann hält sie das nicht mehr aus? Und das kann, je nachdem woran es liegt, sollte es doch wohl einen Unterschied geben im Hinblick darauf, wer das Risiko zu tragen hat. Was wäre das Risiko im Kaufvertrag?
Mit anderen Worten, soll der Käufer eine neue Jeans bekommen dürfen, was dann bedeutet allerdings, dass der Verkäufer dann für eine neue Jeans die Kosten tragen muss, ohne dass er neues Geld kriegt rein, als neuen Kaufpreis. Und das wird wohl unterschiedlich sein. Wenn ich wirklich dann selber das verursacht habe, indem ich mich so in die Jeans reingezwängt habe, oder selbst die qualitativste Jeans es nicht aushält, ist das denn dann sinnvoll, dass der Verkäufer dann das im Prinzip auszubaden hat?
Umgekehrt allerdings, wenn die schlecht vernäht wurde, warum sollte dann der Käufer dann diese Jeans erlangt haben? Und dann kommt es natürlich sehr stark darauf an, auch wann ist denn jetzt diese Naht aufgeplatzt? Je näher das zum Kaufvertrag, desto mehr sollte das eine Verantwortlichkeit des Verkäufers sein.
Ganz eindeutig, wenn die Naht schon aufgeplatzt war beim Verkauf, dann ist es ganz klar wie Kloßbrühe. Aber auch sonst, je näher zum Verkauf, desto eher sollte er dieses Risiko tragen. Und dann kommt aber noch die Komponente dazu, wenn sie sich nicht einig sind darüber, wann denn überhaupt jetzt, was passiert ist und wann es passiert ist, wie soll es dann weitergehen?
Ach, das ist das Stichwort der Beweislast. Okay, also halten wir fest, auf jeden Fall, wenn bereits beim Verkauf schon oder auch juristisch später, dass das ein Gefahrübergang ist, das Geschenk, diese Einzelheiten, die interessieren uns jetzt noch nicht. Es interessiert uns, dass wir zwei Interessen auszutarieren haben, beide grundsätzlich schützenswert und dass die Musik darin spielt, schon oft zu erkennen, was denn jetzt wirklich passiert ist.
Also Stichwort Beweislast. Wer sollte denn was beweisen? Und dann kann es sein, dass wir bestimmte KäuferInnen als besonders schützenswert erachten oder der Gesetzgeber.
Stichwort Vermutung des Vorliegens. Jetzt bin ich schon juristisch-technisch bei Gefahrübergang. Aber das alles kann ich als erste Stufe erst als Herausforderungen entwickeln.
Ich muss nicht so weit ziseliert reingehen bis zu den Begriffen Gefahrübergang. Dazu ist der Zeitpunkt gekommen, wenn ich reingucke ins Gesetz. Aber es ist sehr hilfreich, zuvor schon verstanden zu haben, dass nicht immer es als gerecht einem erscheint, dass die VerkäuferInnen noch einmal leisten müssen, dass der Zeitfaktor eine große Komponente ist und dass zumindest in unserem System es auch in der Regel einen Unterschied macht, ob wir einen B2C-Verkauf haben, ja oder nein.
Und da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie das Gesetz dann darauf reagiert. Eine Sache mit dem Zeitfaktor ist zum Beispiel das Stichwort der Verjährung. Irgendwann, wenn lange genug Zeit verstrichen ist, dann sind Ansprüche unter Umständen Einräte behaftet.
Ein anderer Faktor ist aber auch, und das hätte das Gesetz auch anders regeln können, diese Vermutungsproblematik drin, aber eben nur im B2C-Verkauf. Es hätte auch anders sein können. Das Gesetz hat aber entschieden, dass wir bei den normalen Beweislastregeln bleiben, im B2B und im C2C, und dass wir es nur anders regeln mit einer Vermutung im B2C.
Und die war ursprünglich sechs Monate, und jetzt ist sie zwölf Monate. Auch da siehst du, diese Regelungen, die sind nicht Gottes gegeben. Sie ergeben sich und sind durchaus auch anpassbar.
Und wenn du allerdings die Problematik verstanden hast und die Möglichkeiten, wie man daran schrauben könnte, dann kannst du eher auch verstehen und lernen, diejenige Variante, wofür der Gesetzgeber oder die Gesetzgeberin optiert hat, weil du eben das dann in einem sinnvollen Setting drin hast. Und manchmal denkst du dir auch, das hätte ich aber anders geregelt, aber genau an diesem Punkt ist es auch so, dass du trotzdem dir leichter merken kannst, wie das Gesetz das jetzt regelt. Währenddessen, wenn du nur direkt zu der Gesetzesregelung gehen würdest, du unter Umständen sagen würdest, verstehe ich nicht, warum das so, finde ich nicht in Ordnung, aber dann, wenn du übersprungen hast eben diese Punkte, sondern nur zu einem verstehe ich nicht, ist oft der zweite Punkt nicht, dass du sagst, ich versuche trotzdem es zu verstehen, sondern dass du versuchst, auswendig die Gesetzesregelung zu erlernen.
Und das ist schwierig, denn um etwas auswendig zu lernen, brauchst du sehr viel mehr Wiederholungen, du musst dir das erstmal in kurzen Abständen eindrillen und dann in immer längeren und das ist sehr viel schwieriger, als wenn du einmal verstanden hast, worum es geht und eine der möglichen Lösungen hat das Gesetz nun mal ergriffen und es wäre auch anders gegangen, aber so ist es nun mal und insbesondere bei der Interessenabwägung, die wir ja so gut wie immer haben im Recht und auch wenn es gegen den Staat sein sollte, bei dieser Interessenabwägung ist es immer so, dass das, was du dem einen gibst, du der anderen in der Regel zwangsläufig dann nimmst. Selten ist es möglich, eine Lösung zu finden, die in allen Konstellationen alle glücklich macht. Man kann aber mehr oder minder trotzdem sinnvolle Lösungen finden und das tut das Gesetz auch mehr oder minder und wenn du das verstanden hast dahinter, dann kommt es viel leichter als in nächster Stufe Das, was du natürlich tun solltest, nämlich das Gesetz nicht nur aufklappen, sondern auch lesen.
Ich sage immer, in einer Klausur liest du dir selbst den 433 BGB durch, bevor du anfängst zu lösen. Du kommst mir nicht mit, kenn ich, hab ich schon zigmal gemacht. Das heißt, dieses Gesetz zu gesunden Menschenverstand auf, das gilt anfangs und auch immer wieder mal, wenn man zurückkehrt, wenn man zu einem Punkt kommt, Moment, verstehe ich nicht, kehrt man sinnvollerweise immer auf diesen Punkt zurück und versucht erstmal die Interessenlage zu verstehen und sich klar zu machen, welche Möglichkeiten denn das Gesetz überhaupt hatte oder hat und dann kannst du in der Regel das Gewählte viel leichter verstehen und damit auch später reproduzieren.
Du brauchst es nämlich nicht mehr auswendig zu lernen. Okay, das war die Weisheit dieser Woche. Übrigens entstanden, das sind die besten Folgen, finde ich, die aus einem konkreten Impuls entstanden sind.
Hier aus einem Input einer Studentin. Und das ist dann etwas, was ich für euch alle jetzt bereitstellen wollte. Und ich sage mal, danke fürs Zuhören und bis nächste Woche.
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