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Wer hat Angst vor der mündlichen Prüfung?

von Apr 8, 2022Prüfungshandwerk

Die meisten Studierenden haben mehr Angst vor der mündlichen Prüfung als vor den Klausuren.
Dabei sind mündliche Prüfungen weitaus weniger „gefährlich“ als Klausuren.
Warum das so ist und welcher Trick dir weiterhelfen kann, wenn du mal feststeckst, verrate ich in dieser Podcastfolge.
Der Trick ist denkbar einfach: „laut denken“.
Leicht ist es aber nicht, ihn anzuwenden, aber auch da gebe ich dir in dieser Folge Tipps.
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Transkript

Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.

Einen wunderschönen guten Morgen! Nachdem es letzte Woche schon fast philosophisch geworden ist mit dem Achte auf deine Gedanken, will ich heute praktisch werden und dir einen Tipp geben für deine mündliche Prüfung.

Ich bin Panajota Lakkis, ehemalige Universitätsprofessorin und passionierte Juristin.

Die mündlichen Prüfungen bereiten den meisten Studierenden sehr viel mehr Stress als die Klausuren, obwohl sie objektiv weniger gefährlich sind. Warum das? Denn so gut wie kein Prüfer wird dich so richtig ins Messer laufen lassen und ins Verderben reden.

Das heißt, wenn man als Prüferin oder Prüfer merkt, dass an der Frage vorbeigeantwortet wird, dann wird man immer nachfassen, man wird klarstellen. Selten bisher, beziehungsweise noch nie, wenn ich darüber nachdenke, nee, ich habe den einen oder anderen Mitprüfer gehabt, der ein bisschen Pokerface hatte. Ich habe aber bisher noch niemanden erlebt, der einen Kandidaten hatte sich um den Kragen reden lassen.

Mit anderen Worten, ist die mündliche Prüfung durchaus eine Chance. Und trotzdem haben die meisten davor Angst. Warum?

Weil sie das einfach nicht so gut kennen. Es gibt wenig Möglichkeiten, während des Studiums zu prüfen, zu üben, mündlich aufzutreten. Der Seminarvortrag ist einer, aber auch der ist eine andere Situation.

Und übrigens bereitet auch der mündliche Vortrag im Seminar vielen Studierenden großen Stress. Okay, also das zum Setting. Damit du erkennst, dass du erstens nicht alleine bist, wenn du Angst davor hast, aber vielleicht auch als Denkanstoß, dass du darüber nachdenkst, dass es durchaus eine gute Situation ist.

Denn die meisten PrüferInnen werden dir schon helfen, wenn du gar nicht mehr weiterkommst. Und die werden dich ganz sicherlich nicht ins Verderben laufen lassen. Und jetzt will ich aber trotzdem noch einmal einen Tipp dir geben, wie angekündigt, wo du selber etwas beeinflussen kannst.

Und zwar in der Ausgangslage, dass etwas gefragt wird, dass du nicht auf Anhieb und wie aus der Pistole geschossen beantworten kannst. Entweder, weil man dich auf kalten Fuße erwischt hat oder aber, weil es genau Sinn der Frage war, zu diskutieren. Ich habe das früher in mündlichen Prüfungen oft gemacht, dass ich eingangs gesagt habe in gewissen Abschnitten, dass ich jetzt kein Wissen abfrage, dass ich einfach nur diskutieren will mit den Studierenden und dass es keine richtige oder falsche Antwort gibt, sondern, dass die Aufgabe eben darin besteht, juristisch zu diskutieren.

Und aus beiden Gründen kann es vorkommen, dass du erst mal nicht weißt, was du antworten sollst. Und dann gibt es einen relativ simplen Trick, beziehungsweise davor sage ich, wie man es nicht machen sollte, es die meisten aber tun. Bei den meisten siehst du dann einen gewissen blanken Horror in den Augen und dann entweder ein hektisches Blättern im Gesetz nach links und dann nach rechts oder aber ein gewisses Erstarren und einfach den Prüfer oder die Prüferin fast schon anstarren in Unwissen der Mine nach dem Motto, ich weiß es nicht.

Und das ist nicht gut und es ist auch nicht sinnvoll und es geht auch anders. Insofern ist es auch gar nicht erforderlich. Du kannst nämlich deine Gedanken, die in deinem Kopf purzeln, durchaus etwas entschleunigen und dann verbalisieren.

Und dann kannst du dir sogar sehr viele Punkte sammeln, ohne dass du die Endantwort bereits parat gehabt hast oder auch nur geliefert hast. Was meine ich damit? Ich meine damit, dass du anfängst mit dem Sinne von, ich überlege gerade, ob hier ein Rücktritt in Frage käme.

Ah, nee, ich muss das korrigieren. Ein Rücktritt ist ganz sicherlich nicht der richtige Weg, denn der Käufer wollte ja die Sache gerade behalten. Also kommt ein Rücktritt nicht in Frage.

Dann würde ich darüber nachdenken, wenn er die Sache behält, ob nicht die anderen Rechtsbehelfe sinnvoll sein könnten. Zum Beispiel Schadensersatz, insbesondere Schadensersatz neben der Leistung oder vielleicht auch eine Minderung. Und dadurch kannst du tatsächlich dann, ohne die Antwort zu kennen erst mal, Systemverständnisse zeigen.

Selbst wenn das Erste, was du gesagt hast, Unsinn sein sollte, Stichwort hier mit dem Rücktritt, wenn du direkt selber erkennst, warum das nicht zielführend ist, hast du nicht nur keine Minuspunkte gemacht, sondern sogar Pluspunkte erzielt. Natürlich ist diese Möglichkeit nur dann eine Option, wenn du erstens das ein bisschen geübt hast und zweitens das von mir so hochgehaltene Systemverständnis hast. Denn wenn dir das fehlt, dann kannst du diese Zusammenhänge, die du selber gar nicht richtig verstanden hast, kannst du erst recht nicht jemandem anderen dann vortragen.

Und auch das ist einer der Gründe, warum es sich wirklich so sehr lohnt, auf Systemverständnis zu setzen und nicht auf so viel an Quantität, an Mindermeinungen oder auch an herrschenden Meinungen und an Theorien wie möglich. Denn die sind binär. Du kannst sie oder du kannst sie nicht.

Und wenn du sie nicht kannst, dann bist du auch aufgeschmissen, wenn du lediglich eben mit deinem Gedächtnis, mit deinem Wissen im Sinne von was kann ich abrufen. Und anders aber, wenn du Systemverständnis hast und die Zusammenhänge kennst, dann kannst du dir Dinge reproduzieren. Und dann kannst du so ähnlich im Stil wie wir das mit diesem Worum es geht schon vor mehreren Wochen angesprochen hatten, das kannst du liefern auch in der mündlichen Prüfung.

Dass du sagst, ich überlege gerade, ob die Lösung hier familienrechtlich zu finden wäre. Andererseits habe ich zwar verheiratete Personen, aber das, was passiert ist, scheint mir nicht mit dem familienrechtlichen, konkreten Band zu tun, zu haben. Also du merkst halt genau das, was du auch sonst tust, um dich hervorzutasten und ranzufühlen im schriftlichen, das kannst du tun auch im mündlichen.

Und Voraussetzung ist erstens dieses Systemverständnis und eine zweite Voraussetzung ist natürlich, dass du dich so runter beruhigen kannst von dem vielleicht ersten Impuls, oh Angst, ich weiß nicht die Antwort auf die Frage, dass du nicht ganz hektisch anfängst, irgendeinen Unsinn zu erzählen, sondern dass du wirklich mit Hintergrundsystemverständnis anfängst, Dinge zu entwickeln. Aber es funktioniert, ich kann es dir sagen, ich habe es selber praktiziert, vor gar nicht mal so ganz langer Zeit, ja schon doch, okay, ich möchte nicht darüber nachdenken, wie lange, weil das heißt dann, dass ich entsprechend gealtert bin. Aber als ich promoviert wurde in Bonn, gab es noch da das sogenannte Rigorosum, da wurde man in einer Art mündlichen Prüfung in den Fächern, in allen Fächern abgeprüft, auch in denen, in denen man nicht promoviert wurde.

Das heißt auch im öffentlichen Recht und im Strafrecht, wenn du halt gerade aus dem Zivilrecht warst. Und der Prüfer im Zivilrecht bei mir tatsächlich, der hatte mich etwas gefragt, der war Römischrechtler und der wollte etwas Schuldrechtliches und wollte eine Brücke ziehen und hat mich etwas gefragt aus dem Schuldrecht und wollte, hat mich sogar gefragt nach einer spezifischen, nach dem Inhalt, wie es denn im Gesetz drin steht. Und ich wusste es nicht und ich merkte, wie meine Mitte-Doktoranden, sozusagen, wir wurden zu dritt oder zu viert, weiß ich gar nicht mehr, geprüft, die, die neben mir saß, versuchte ganz lieb ihr Gesetz dann so hinzublättern, dass ich erkenne, wo das sein würde.

Und ich selbst habe da aber die Ruhe bewahrt, habe gar nicht rüber geschaut und habe gesagt, ich kann Ihnen nicht sagen, wie genau die Regelung ist, ich kann Ihnen aber sagen, das ist garantiert im allgemeinen Schuldrecht zu finden, weil es nicht nur eine spezielle Vertragsart betrifft und nach meinem Verständnis des deutschen Schuldrechts gehe ich davon aus, dass die Regel so und so lauten wird. Und das war zutreffend. Und da habe ich wirklich eine richtig prächtige Note gekriegt von diesem Prüfer und sein großes Lob war, Donna Wetter kann die Frau Lackies juristisch denken.

Und darauf kommt es an und das Mündliche hat den Luxus, dass du das auch aufzeigen kannst. Im Schriftlichen geht das nicht. Okay, im Schriftlichen hätte ich dann meine anderen Tools, ich hätte es gefunden, da ich wusste, wo es sein müsste nach Adam Riese, hätte ich es auch gefunden und da hätte ich mehr Zeit.

Aber du merkst, es ist eine Möglichkeit, die sehr hilfreich sein kann, die sogar und nachgewiesenermaßen in meinem Fall dazu verhelfen kann, dass ohne dass du letztlich die Antwort kennst, genau wie gefragt wurde, denn was im BGB drin stand, wusste ich nicht. Ich habe es aber das reproduziert, was vermutlich drin stehen würde und das auch dann drin stand und da habe ich dafür die volle Punktzahl gekriegt. Allerdings, wie gesagt, will ich es auch in dem Sinne nicht als, es ist eine Wunderwaffe, aber man muss mit ihr tatsächlich auch umgehen können und dazu sind zwei Dinge nötig, dass man einmal seinen Stresslevel und seine Panik im Griff hat und da ist doch die Brücke zur letzten Woche auch mit dem 8.

auf deine Gedanken wiedergegeben und zum zweiten üben, üben, üben, wie mit allen Dingen im Leben. Daher, je öfter du dich meldest in der Vorlesung, wo es noch um gar nichts geht in dem Sinne, es besteht zwar ein Irrglaube bei vielen Studierenden, eine Professorin oder ein Professor könnte es sich merken, wenn man mal eine dumme Frage gestellt hat oder eine falsche Antwort gegeben hat und das später im Staatsexamen irgendwie werden. Das ist wirklich aus dem Bereich der Gerüchte, das gibt es nicht.

Das gibt es einfach nicht. Das heißt, du kannst das in deinen Vorlesungen machen und wenn du trotzdem dich da irgendwie nicht traust, dann mach das, wenn du zum Repetitor gehst, gehst dahin oder egal in deiner Lerngruppe, wie auch immer, gut da kennst du, da fühlst du dich sicherer, versuche auf jeden Fall so oft wie möglich deine Komfortzone zu verlassen und dann zu erweitern, so dass wenn es zum Tag kommt der mündlichen Prüfung, wo du sowieso naturgemäß einen höheren Stresspegel hast als sonst, dass du trotzdem dann nicht den Kopf verlierst, sondern eben laut denken kannst und nicht laut denken mit das, was man im Englischen heißt, das Monkey Chatter, wie wenn Äffchen rumschnattern würden im Kopf. Bitte nicht das, sondern systematisch laut denken, wie ich es vorhin vorgemacht habe.

Okidoki, ich hoffe, das war hilfreich und ich würde mal sagen, bis nächste Woche, ich freue mich auf euch.

 

Dr. iur. habil. Panajota Lakkis

Ehemalige Universitätsprofessorin & Prüferin. Ergo weiß ich genau, was du brauchst in deinem Jurastudium. In meinen Kursen lernst du, Jura zu verstehen. Im Podcast (Standorte im Player) und auch auf YouTube kannst du nach Lust und Laune stöbern. Du kannst auch mehr über mich erfahren. Oder ab und zu eine Mail mit juristischen und jurafreien Goodies erhalten.

Mein aktuelles Motto: Was wäre, wenn?

Meine Überzeugung: Jura macht ab dem Moment Freude macht, in dem du die Zusammenhänge verstehst.

Vielleicht kann ich dir helfen, (wieder) Freude an Jura zu finden?