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Warum die Noten von Übungsklausuren oft täuschen

von Mai 20, 2022Lernen & Vorbereiten

Eine gleichzeitig gute und schlechte Nachricht

Ergebnisse in den Übungsklausuren weichen oft ab von den Noten im Staatsexamen. Das liegt zum einen daran, dass viele Studierende nicht unter „echten“ Bedingungen schreiben – diese Konstellation möchte ich hier ausblenden, denn dann würde man Äpfel mit Karotten vergleichen.
Aber auch, wenn du unter realistischen Bedingungen geschrieben hast, gibt es zwei maßgebliche Faktoren, die du berücksichtigen solltest, wenn du von deinen Noten in den Übungsklausuren auf die Noten im Examen schließt:
  1. Im Examen erfolgt in der Regel eine der zwei Korrekturen durch ProfessorInnen. Insbesondere, wenn du eine im Lösungsvorschlag nicht vorgesehene, unkonventionelle Lösung eingereicht hast, sind diese eher in der Lage (und trauen sich auch eher) dies zu honorieren.
  2. Auch die Aufgabenstellungen im Examen haben einen Zwischenfilter in den entsprechenden Justizprüfungsämtern, wo eingereichte Klausurvorschläge überprüft werden. Dies ist nicht der Fall bei extern gestellten Übungsklausuren.
Deine bisherigen Noten sind natürlich trotzdem ein Indiz für dein bisheriges Leistungslevel, sie stecken dich aber nicht automatisch in eine bindende Schublade.
Unabhängig von deinen bisherigen Noten gilt es, dich weiterzuentwickeln, mehr zu verstehen, das Verstandene verständlicher wiederzugeben. Wenn du bisher gute Noten hast, mit einem zusätzlichen angenehmen Hintergrundgefühl. Wenn es bisher nicht so gut lief, mit der Erkenntnis, dass du dadurch keinen permanenten Stempel gekriegt hast. Weil du dich sowieso weiter entwickeln wirst bis zum Examen. Und weil vielleicht dieses nicht ganz so angenehme Indiz nicht korrekt war.
So oder so: Keep on going!

Bild von Usman Yousaf auf Pixabay

Transkript

Bitte beachte, dass dieses Transkript maschinell erstellt wurde.

Einen wunderschönen guten Morgen! Heute möchte ich über etwas berichten, was für einige von euch eine gute Nachricht sein wird, für andere nicht. Nämlich das Phänomen, dass die Noten der Übungsklausuren oft abweichen von den Noten später im Staatsexamen.

Und das in beide Richtungen. Und in diesem Fall wäre das dann die gute Nachricht für diejenigen, die bisher nicht so gute Noten geschrieben haben in den Übungsklausuren.

Woran liegt das? Das liegt hauptsächlich daran, dass unterschiedliche Personen korrigieren. Es kann natürlich auch daran liegen, dass du die Übungsklausuren doch nicht zu 100 Prozent unter realistischen Bedingungen geschrieben hast.

Aber das klammere ich mal außen vor, weil dann hast du dir im Prinzip in die eigene Tasche gelogen. Und das möchte ich jetzt nicht zugrunde legen. Es ist menschlich, ja natürlich, wenn es richtig unangenehm wird oft, dann denken wir, naja, ich gucke jetzt doch mal oder ich mache eine Pause und ich schreibe eben nicht die fünf Stunden am Stück.

Aber wie gesagt, das ist nicht unsere Ausgangslage, sondern unsere Ausgangslage sind Übungsklausuren, die unter realistischen Bedingungen geschrieben wurden. Heißt, nur mit den Hilfsmitteln, die auch im Staatsexamen zugelassen sein werden und fünf Stunden am Stück. Und warum trotzdem weicht das so oft ab?

In der Regel umgekehrt, dass man bessere Noten erzielt. Das hat hauptsächlich den Grund, dass diese Übungsklausuren, wenn sie in den universitären Klausurenkursen korrigiert werden, von MitarbeiterInnen korrigiert werden. Und zwar auch dann, wenn die Aufgabe gestellt wurde von ProfessorInnen.

Und das ist das Erste. Und währenddessen man später im Examen selbst korrigiert. Die ProfessorInnen korrigieren selbst.

Man gibt die Korrektur von Examensklausuren auf gar keinen Fall an MitarbeiterInnen. Wäre ja noch schöner. Ausnahmen, von denen man hört, erstens bin ich mir nicht sicher, ob sie zutreffen und zweitens, wenn sie zutreffen, würden sie die Regel bestätigen.

Ich selbst kenne niemanden, der das täte, womit ich nicht sagen will, dass das nicht der Fall ist. Aber es ist garantiert nicht zulässig und es wird auch nicht breit getan. Das heißt, dass eben die Korrektoren, die KorrektorInnen, mal korrekt sein, unterschiedliche sind.

Und im Staatsexamen hast du natürlich immer zwei Erstvotum, Zweitvotum. In den meisten Fällen ist einer der beiden ein Professor oder eine Professorin. Ich selbst habe in der Zeit, wo ich korrigiert habe, es nie erlebt, dass es Kommissionen nur von sogenannten PraktikerInnen gab.

Okay, das ist das Eine. Warum ist das prägend und warum führt das dann dazu, dass die Notengebung auch oft anders ausfällt? Weil eben diese, insbesondere aus der Uni, die KorrektorInnen, erstens ganz anders in der Lage sind, auch Lösungswege nachzuvollziehen, die so nicht auf der Lösungsskizze drauf waren.

Das heißt, die können durchaus auch einen zwar nicht in dem Sinne vorgesehenen, aber vielleicht auch eher unkonventionellen Lösungsweg, können sie eher nachvollziehen und das auch honorieren. Da kommt auch die Erfahrung, die man selber hatte, die größer ist darin, auch neue Meinungen zu beurteilen. Da traut man sich auch eher zu sagen, eigentlich nicht die Lösung sozusagen, die vorgesehen war, aber doch durchaus sehr interessant und damit zu honorieren.

Das traut sich jemand, der im Klausurenkurs bezahlt wird, um die Klausuren zu korrigieren, nicht so leicht. Damit möchte ich jetzt nicht sagen, dass in Einzelfällen das dort auch besser stattfindet, als sozusagen, wenn die Chefinnen selbst korrigieren. Also nicht falsch verstehen, in vielen Dingen denke ich mir, dass wir selber gut täten, zurückzutreten und die Jüngeren nach vorne zu lassen.

Bei der Korrektur ist das aber nicht der Fall. Je mehr Erfahrung, berufliche und auch Lebenserfahrung du hast, desto qualitativer werden auch deine Korrekturen. Das ist so, ich kann es aus meinem eigenen Werdegang bezeugen.

Okay, also das ist das eine und dann kommt natürlich noch dazu, dass das auch für die Aufgabenstellung oft zutrifft, dass eben die Aufgabenstellungen in Klausurenkursen oder erst recht in Klausurenkursen, die nicht inneruniversitär sind, sondern außeruniversitär, da ist das ja sehr oft so, sogar immer glaube ich, dass nicht die originalen Klausuren verwendet werden können, sondern in der Regel, welche sind, die konstruiert sind. Und selbstverständlich kann auch jemand, der extern ist, eine Klausur, die vergleichbar ist, einer echten Examensklausur stellen. Und es gibt ja nicht die Examensklausur, die originale, sondern auch da haben wir selbst innerhalb der gleichen oder selben sogar Prüfungsämter sehr große Unterschiede in Schwierigkeitsgrade von Klausur A zu Klausur B.

Aber trotzdem ist es so, dass dadurch, dass es eine Instanz gibt im Prüfungsamt, wo die beurteilt werden, ob sie geeignet sind oder nicht und ich kann euch sagen, es gibt durchaus Fälle, wo man beauftragt wird, als Professor oder Professorin eine Klausur zu erstellen und wo das JPA dann im Anschluss sagt, nee, die ist nicht so geeignet, zu einfach, zu schwierig oder was auch immer. Das heißt, es gibt da durchaus eine Instanz, die mehr oder minder für eine Gleichmäßigkeit sorgt und das ist nicht der Fall, wenn extern solche Klausuren produziert werden. Heißt es, dass diese Klausuren nicht gut und hilfreich sind?

Um Gottes Willen nein! Das will ich gar nicht damit sagen. Ich will dich nur davor befreien, dass du sagst, bisher habe ich die Noten X oder Y gekriegt, das bedeutet, das wird auch später so sein.

Erstens ist das deswegen nicht zwingend der Fall, weil du dich selbst entwickeln kannst und optimalerweise auch entwickelst, aber eben auch, weil die Benotung unterschiedlich erfolgt sein könnte oder auch die Aufgabenstellung unterschiedlich erfolgt sein könnte im Hinblick zu dem, was dich dann später erwarten wird in der reellen Examensklausur bzw. den reellen Examensklausuren. Das kommt ja noch dazu, wie gesagt, selbst die sind nicht einheitlich, aber da besteht schon, wie gesagt, eine gewisse Filterinstanz davor.

Okay, also zwei Dinge. Erstens, lass dich nicht jetzt eher von dem Bestreben weiter dich zu entwickeln abhalten, wenn du bisher gute Klausuren gegen Noten gekriegt hast. Auch nicht umkehren im Oh, so nach dem Motto, die Gefahr droht dahinter, immer noch kann passieren, dass du eine schlechte Note kriegst.

Du kennst mich mittlerweile, weil wenn ich eins hasse, dann ist es so ein alarmistischer Fokus. Um Gottes Willen nein, es ist immer gut und in dem Sinne von ein schönes Gefühl halt gute Noten reingefahren zu haben bisher. Das will ich dir auf keinen Fall vermiesen.

Ich will dir nur sagen, dass es eben nicht ein automatischer Garant ist und sowieso optimalerweise lernst du, um in deinen Möglichkeiten immer besser zu werden, unabhängig davon, welche Noten du hast. Du sagst ja nicht, ich lerne nur, um die Note X zu erlangen, sondern ich lerne, um mich weiterzuentwickeln, um meine juristischen PS auf die Strecke zu bringen und zwar so gut, wie es mir eben möglich ist und zukünftig möglich sein wird mit den Massnahmen, die ich ergreife in der Zwischenzeit. Und schon deswegen ist unser Ziel, nicht die Note X das unmittelbare, sondern unser unmittelbares Ziel ist, Jura nicht zu lernen, sondern zu verstehen und dann werden die Noten von alleine kommen.

Gleichwohl sind wir natürlich auch realistisch genug, dass wir die Noten als eines der Indikatoren uns ansehen und vor allen Dingen, die Noten werden wir ja auch brauchen, weil später, wenn wir unseren Job suchen und uns bewerben, dann diese Noten durchaus einen Unterschied machen werden. Und deswegen, selbstverständlich ist es relevant, aber wenn das jetzt bisher entweder optimal läuft oder suboptimal läuft, ist das nicht zu 100 Prozent sicher, dass es auch so bleiben wird im Examen. Wenn es bisher optimal gelaufen ist, dann geht es insofern für dich weiter, dass du dir sagst, super, beruhigend und mit dieser Beruhigung schaue ich, dass ich noch mehr verstehe, mich noch sicherer fühle.

Das ist das eine und umgekehrt, wenn es bisher in den Übungsklausuren nicht so gut gelaufen ist, dann ist erstmal die Aussage, dass das nicht zwingend bedeutet, dass es auch später so sein wird und zwar in vielerlei Hinsicht, erstens, weil dann andere und erfahrenere KorrektorInnen halt korrigieren werden und zweitens, weil du dich noch entwickeln kannst. Das kannst du auch, wenn du gute Noten hattest, aber jetzt ist es natürlich noch wichtiger und darauf legst du deinen Fokus. Und die Noten versuchst du insofern einzuordnen auf ihren Aussagewert, sofern möglich, dass du guckst, wer hat sie gegeben, kann ich das Votum wirklich in dem Sinne auch nachvollziehen, scheint mir das eine konstruktive Benotung gewesen zu sein, kann ich das, was mir moniert wurde, kann ich das nachvollziehen.

Je mehr das der Fall ist, desto mehr war natürlich diese Benotung auch zutreffend und wenn du das Gefühl hast, dass die Benotung vielleicht auch nicht so 100% optimal und konstruktiv war, dann erst recht löse dich davon und lege noch mehr den Fokus darauf, zu verstehen, verständlich zu machen, dass du verständlich auch schreibst und sowieso, wie immer, lass dich nicht entmutigen. Schon gar nicht von anderen, die zum Teil sich auch schon mal im Ton vergreifen oder die bei der Korrektur, manchmal es gibt tatsächlich KorrektorInnen, die meinen, je mehr sie bemängeln, desto mehr sozusagen zeigen sie selber, wie scharfsinnig sie sind. Sollte sowas ein bisschen sein, lass dich nicht entmutigen, auch wenn es manchmal schwer ist.

Und wenn ich es noch einmal sage, lass dich auch nicht entmutigen von Personen, die dir sagen, guck nach links und rechts und einer wird durchfallen. Das alles, selbst wenn die Zahlen stimmen, diese Art von dich fertig machen, lass das bitte nicht zu. Kritik, ja, aber nicht, wenn du das Gefühl hast, da will dich jemand verbal oder in der Korrektur fertig machen, dann löse dich davon, denn das ist auf jeden Fall nicht konstruktiv.

Okay, in diesem Sinne also, schreib weiterhin Probeklausuren, nach Möglichkeit unter realistischen Bedingungen und ein Plädoyer auch, nach Möglichkeit in den Examensklausurenkursen der Uni. Nicht ausschließlich, ich habe überhaupt nichts gegen Repetitorien, überhaupt nichts. Mittlerweile betreibe ich ja selber eines, obwohl ich mich dagegen sperre, dass das ein Repetitorium ist.

Aus meiner Sicht ist es ein verständnisgebendes Mittel, egal. Aber wie gesagt, mach das noch mehr an der Uni mit, warum? Weil dort für die Ausbildung zum großen Teil, nicht überall, aber zum großen Teil auch die Original Klausuren freigegeben sind und verwendet werden und die Besprechung dann auch, selbst wenn die Korrektur durch KorrekturassistentInnen erfolgt, die Besprechung nimmt dann die Professorin oder der Professor vor und da kannst du wirklich auch gezielt fragen.

Okidoki, also dann, danke fürs Zuhören, lass dich nicht entmutigen, leg den Fokus darauf, mehr, immer mehr aus dir rauszuholen, aber positiv, spielerisch und konstruktiv. Nicht, weil du jetzt noch in dem Sinne unzulänglich bist, sondern weil es einfach schön ist, sich weiter zu entwickeln. Es ist ein schönes Gefühl, egal von welcher Ausgangssituation du angefangen hast.

Also dann, bis nächste Woche.

Dr. iur. habil. Panajota Lakkis

Ehemalige Universitätsprofessorin & Prüferin. Ergo weiß ich genau, was du brauchst in deinem Jurastudium. In meinen Kursen lernst du, Jura zu verstehen. Im Podcast (Standorte im Player) und auch auf YouTube kannst du nach Lust und Laune stöbern. Du kannst auch mehr über mich erfahren. Oder ab und zu eine Mail mit juristischen und jurafreien Goodies erhalten.

Mein aktuelles Motto: Was wäre, wenn?

Meine Überzeugung: Jura macht ab dem Moment Freude macht, in dem du die Zusammenhänge verstehst.

Vielleicht kann ich dir helfen, (wieder) Freude an Jura zu finden?